Fuck Buddies - Wilde Spiele
eine Studenten-WG eingezogen. Er hielt zwar nicht viel von gebildeten Menschen, denn die gaben ihm immer das Gefühl, erbärmlich gescheitert zu sein. Doch die vier da unten waren ziemlich in Ordnung. Sie flüsterten ihm nicht ein, dass er endlich etwas aus seinem Leben machen sollte. Zu ihrem Einzug hatten sie eine Einweihungsparty gegeben. Besser gesagt, eine Grillparty auf der großen Wiese vor dem Haus. Außer ihm, seiner Familie und den Alkis, die darauf gehofft hatten, dort umsonst saufen zu können, war niemand gekommen. Die anderen hatten wahrscheinlich einfach zu viel Angst gehabt. Angst davor, sich den neuen Nachbarn als die Verlierer zu präsentieren, die sie nun mal waren. Was ihm außerdem besonders an der WG gefiel, war die Tatsache, dass keiner sich von den Hetzparolen auf ihrer Haustür hatte abschrecken lassen. Im Gegenteil. Die vier hatten ihnen Kontra gegeben. Am Tag ihres Einzugs hatte sie so viel wie möglich davon weggeschrubbt, bis nicht mehr als naken! tschla n e ts hen übrig geblieben war. Und diesen kümmerlichen Rest hatten sie mit einem überlebensgroßen Poster überklebt, auf dem ein kleines Baby quietschvergnügt auf einem Bernhardiner über eine bunte Frühlingswiese ritt. Keine zwei Tage später war das Plakat, das die Hassbotschaft bedeckt hatte, allerdings vom Hausmeister konfisziert worden. „Da könnte ja jeder komm.“
Es gab noch einen weiteren Grund, warum er die WG mochte. Und dieser Grund hieß Kai.
Bereits als er den Schlüssel im Schloss drehte, hörte er von drinnen die Schreie. Er senkte die Augenlider, atmete noch einmal tief durch. Sein Kopf dröhnte von dem anstrengenden Aufstieg. Ich muss mit dem Rauchen aufhören – und mit allem anderen auch, dachte er. Dann öffnete er die Tür.
„Hi. Ich bin da“, rief er in den engen Flur hinein, und das Schreien wurde lauter.
„Papa, wo warst du?“
„Ja, das würde ich auch gerne mal wissen.“
Alara, seine Frau, kam sichtlich entnervt mit einem Baby auf dem Arm aus der Küche. Das Kleine wollte nicht aufhören zu schreien. Sein Sohn hielt mittlerweile seine Beine fest umklammert, so dass er sich nicht mehr bewegen konnte.
„Is’ ja gut. Is’ ja gut“, murmelte er. Mit betont fröhlicher Miene versuchte er dabei, sich aus der Umklammerung zu lösen, indem er sein Knie anwinkelte und den Jungen so ein Stück in die Luft hob.
„Du wolltest doch heute schon um sechs zu Hause sein“, meinte seine Frau. „Ich hatte mit der Kleinen einen Termin beim Arzt. Und du solltest auf Hassan aufpassen.“
Alaras tiefe und rauchige Stimme passte so gar nicht zu ihrem immer noch sehr schönen Äußeren. Zu ihrem puppenähnlichen Gesicht mit den großen braunen Augen. Sie war eine moderne Muslimin. Eine, die auf Kopftücher verzichtete, obwohl sie den Koran respektierte. Eine moderne, attraktive Frau, um die Cem viele beneideten. Die letzten Jahre, in denen es nahezu ausschließlich darum gegangen war, ihre Familie am Leben zu erhalten, hatten ihr jedoch zugesetzt und ihre Spuren hinterlassen.
„Scheiße. Tut mir leid. Aber ich konnte nicht früher weg. Ein Kollege war krank.“
„Möchte mal wissen, ob der Kollege auch Kinder hat und ’ne Frau, die hier den ganzen Tag nicht rauskommt. Vor allem jetzt, wo auch noch der verfickte Aufzug kaputt ist.“
„Ich sagte doch, es tut mir leid. Was gibt’s zu essen?“
„Auf jeden Fall nicht das, was ich eigentlich machen wollte, denn zum Einkaufen bin ich deswegen natürlich auch nicht gekommen.“
„Schon verstanden. Dann gehe ich halt noch mal runter. Was soll ich holen?“
„Der Supermarkt macht in fünf Minuten zu. Das schaffst du nicht mehr. Hol was vom Imbiss für den Kleinen und für dich. Für mich brauchst du nichts mitzubringen. Ich habe eh keinen Hunger mehr.“ Damit drehte sie ihm den Rücken zu und ging zurück in die Küche, während das Baby weiterschrie.
Auf der einen Seite hatte er keine Lust, die Stufen wieder zu Fuß hinunterzusteigen, denn er war fertig. Sein Job war anstrengend. Er musste den ganzen Tag freundlich sein, auch wenn er den meisten Menschen, mit denen er zu tun hatte, am liebsten ins Gesicht spucken würde. Aber er wusste, das war seine letzte Chance. Er galt als „schwer vermittelbar“. Diese Worte hatte er im Zusammenhang mit seiner eigenen Person in den letzten zehn Jahren öfter zu hören bekommen als seinen Namen. Auf der anderen Seite war er jetzt froh, noch für einen kurzen Moment entkommen zu können. Wenn er Glück hatte,
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