Fuck Buddies - Wilde Spiele
später
Hinter diesem dampfenden und zischenden Wunder der Technik arbeitete er am liebsten. Nicht, weil die Tätigkeit an sich ihm ungemein am Herzen lag. Aber dieser Arbeitsbereich war wie sein ganz privater Adlerhorst. Hier kam er sich unbeobachtet vor und hatte trotzdem freie Sicht. Konnte sehen, wer in die kleine Café-Bar reinkam. Wer wo saß. Wer was bestellte. Wer was abholte. Wer ein potenzieller Heiratskandidat war. Er war nun langsam an dem Punkt angekommen, an dem er sich nach einem festen Freund umsehen sollte.
Die Sache mit Cem hatte er immer noch nicht ganz verdaut. Er empfand keine Wut. Seelische Verletzungen hatte er auch keine davongetragen. Er vermisste ihn einfach. Und es ging Kai dabei nicht um den anfangs grandiosen Sex, der sich dann jedoch in eine traumatische Richtung entwickelt und das Ende ihrer sogenannten Affäre bedeutet hatte. Cem war der erste Mann gewesen, den er regelmäßig getroffen hatte. Und ja, er hatte sich damals in ihn verliebt. Auch wenn das von vornherein eine aussichtslose Kiste gewesen war. Cem hatte ihm gezeigt, wie schön es sein konnte, sich an einen einzigen Menschen zu gewöhnen. Routine bedeutete für Kai inzwischen Glück. Den Alltag mit einem Partner an seiner Seite zu erleben war für ihn das Ziel, das er anstrebte. Anna erklärte ihn deswegen für verrückt. Aber er konnte sich nicht helfen. Er wollte wirklich wissen, wie es dem türkischen Wolf ergangen war. Schwamm drüber. Bald würde er ihn vergessen haben. Kai war nun auf der Suche nach etwas Festem. Etwas Stabilem. Nach einer richtigen Beziehung.
Es musste doch auch möglich sein, ohne Internet, Smartphone und Gay-Kino einen ganz normalen Kerl zu treffen. In der realen Welt sozusagen. Milliarden von Menschen war das in den letzten fünftausend Jahren bereits gelungen. Dann konnte es doch nicht so schwer sein, jemanden zu finden, der auch zu ihm passte wie Ernie zu Bert.
Seine älteren schwulen Freunde erzählten ihm andauernd von der „guten alten Zeit“. Einer Zeit, in der Mann und Mann sich noch in einer Bar oder einem Club kennengelernt hatten, indem sie einander ansprachen. Miteinander kommunizierten. Diese Zeit anno MT (vor dem Mobiltelefon), als Nummern auf ein Stück Papier oder einen Bierdeckel gekritzelt worden waren und man es am nächsten Tag kaum erwarten konnte, vom Festnetz oder der Telefonzelle aus anzurufen. Ganz cool natürlich. Und man dann nach einem Date fragte. Date im Sinne von einer Verabredung zum Essen oder zum Bierchen.
Kai war da ganz anders aufgewachsen. Virtuelle Flirts waren tabulos. Kannten keine Grenzen. Ficken? A oder P? Safe oder bare? Das hatte natürlich seine Vorteile. Man lernte so in kurzer Zeit viele verschiedene Menschen kennen. Und eine Bandbreite an Schwänzen unterschiedlicher Herkunft. Unkompliziert war sie, die heutige Zeit. Doch er kannte sich gut genug. Er hatte stets gewusst, dass ihm das irgendwann nicht mehr genügen würde. Dass da noch mehr gehen musste. Davon war er immer überzeugt gewesen.
Und jetzt war er bereit – für ein Augenzwinkern, ein verstohlenes Lächeln und diesen Blick in die Augen, der zwei verräterische Sekunden zu lange andauerte, so dass man sich nicht einfach mit reinem Interesse am Mitmenschen herausreden konnte. Er wollte Romantik erleben. Und Herzklopfen spüren. Das gewisse Kribbeln in der Bauchgegend. Gegen ein anschließendes Kribbeln in der Lendengegend hatte er natürlich auch nichts. Und wenn es hier im Café zu einem solchen magischen Aufeinandertreffen mit seinem künftigen Lebenspartner kam, würde er ihm selbstverständlich sofort erklären, dass Barista nur ein Job neben seinem Studium war und er Ambitionen und wahre Ziele im Leben hatte.
Bisher tat sich allerdings nicht viel. Der Laden war halb leer. Bedingt durch die Nähe zur Universität saßen in den grünen und roten Samtsesseln ein paar junge Studentinnen, die unendlich gestresst schienen und ihre iPads befingerten, als ob sie auf diese Weise zum Orgasmus kommen wollten. Vielleicht trieb sie aber auch bloß die Modern-Jazz-Compilation allmählich in den Wahnsinn, die seit einer Stunde aus den Lautsprechern dudelte. Toll fand Kai die Musik auch nicht, doch er hatte andere Probleme. In der letzten Nacht hatte er schlecht geschlafen. Die interne Diskussionsrunde an der Uni zum leidigen Thema Bildungsreform hatte bis spät am Abend gedauert, und als Studentenvertreter hatte er daran teilnehmen müssen. Und da mal wieder kein anderer außer ihm sich
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