Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition)
und ich versuche, das Schreien abzustellen, aber einmal angefangen, kommt es einfach aus mir raus, ohne dass ich es beeinflussen kann.
»Oma sagt immer, Glauben sei eine ernste Sache«, bemerke ich betrübt.
»Ich glaube, sie hat Recht«, meint Teddy und kramt nach der Meditations-CD.
Nach einer halben Stunde intensiven Stimmbandtrainings brülle ich Teddy zu: »Komische Nummer, dieses Schreien, ich kann das gar nicht kontrollieren.«
Er setzt seinen Kopfhörer ab und fragt: »Was?«
»Wie bitte, heißt das«, krächze ich und wiederhole, was ich gesagt habe.
»Bestimmt ein Eignungstest für Eltern«, brummt er, »halten sie das aus, läuft’s auch in der Pubertät.«
»Meinst du«, plärre ich laut, »das wäre ja klasse, dann akzeptieren sie bestimmt auch eine Brust-OP.«
Teddy wirkt erstaunt: »Brust-OP, wie kommst du denn auf so was?«
»Meine sind so klein, ich hätte endlich gerne größere! Wiein den Magazinen in Papas Nachttischschublade, da ist neulich eins rausgefallen, die haben alle Riesen-Dinger! Vielleicht traut sich Sören-Wotan dann schneller an mich ran.«
»Wie bitte?«, ruft Teddy. »Die sind doch ekelhaft, außerdem lutschen da immer Männer dran, manchmal sogar die Frauen selbst, für mich wär das nichts.«
Lautstark gebe ich zu bedenken: »Vielleicht kommt da Bier raus, das trinkt Papa doch so gerne, und deshalb die Hefte.«
Aber Teddy hält mir den Mund zu und übertönt mich verzweifelt: »Ach Quatsch, die sind sicher alle nicht gestillt worden! Ich mag dich jedenfalls so wie du bist.«
Das hat er schön gesagt, denke ich, es hat ja auch noch Zeit, und ich nehme mir vor, das erst mal hinten anzustellen.
Ich brülle noch ein Weilchen so dies und das, denn wer sich ewig bindet, muss geprüft werden, und das ist offensichtlich meine Aufgabe.
~
Auch an den nächsten Abenden prüfe ich gewissenhaft die Eignung meiner Eltern, außerdem will ich sowieso nicht so früh schlafen gehen.
Der Müller ist schließlich auch immer wach.
Bei Tag und bei Nacht.
Zumindest singt Oma das immer, die weiß alles, und ich liebe sie dafür.
»Kein Wunder, dass der immer wach ist, bei dem Geklapper und Gerausche«, mault Teddy, »klipp, klapp, klipp, klapp, da würde ich auch kein Auge zutun.«
»Ist doch toll, wenn man nachts wach ist«, versuche ich ihn zu begeistern, »da kann man nackte Frauen Badminton spielen sehen, das macht Papa auch immer. Er sagt, da kannman den Gesetzen der Schwerkraft beim Arbeiten zusehen. Das hört sich interessant an.«
»Das macht der Müller aber nicht«, antwortet Teddy, »nee, der mahlt den ganzen Tag das Korn, und dann backt der Brot wie bekloppt, Tag und Nacht, entweder hat der einen Mörder-Hunger ...«
»Oder der ist Brot-Fetischist ...«, überlege ich und übe krampfhaft zu lächeln. Meine Muskeln gehorchen mir immer noch nicht, und das macht mich ganz fuchsig.
»Oder das ist ’ne Hardcore-Desensibilisierungsmaßnahme gegen Mehlallergie«, murmelt der Stoff-Tapir.
Erstaunt gucken wir ihn an, und er verstummt.
Teddy ruft: »Vielleicht muss der diese ganzen Brötchen an deutsche SB-Ketten liefern, die sich die Leute dann mit einer Kneifzange aus lieblos gestalteten Brotregalen rausholen und damit den guten alten Einzelhandel kaputtfressen, nach dem Motto: ›Mh, ein Weltmeisterbrötchen, lecker.‹ Dabei kann man davon auch nicht besser kicken, da gibt es Untersuchungen.«
Ich gluckse vor Freude und ergänze: »Oder die werden dann in die Künstlergarderoben geliefert, davon hat Papa mal gesprochen, denn der hatte mal ne Band. Die liegen da nämlich abends pappig mit analogem Käse und einer hauchzart geschnittenen Gurkenscheibe vom Vortag und verhelfen dem Künstler zu einer ordentlichen Depression, damit der bessere Kunst machen kann. Denn ein glücklicher Künstler ist kein guter Künstler, sagt Papa immer.«
Bei dem Gedanken an das pappige Gebäck verziehe ich das Gesicht. »Ich fasse also zusammen: Der Künstler alias Müller hat se nich mehr alle.«
»Genau«, sagt Teddy, »und dann ist der irgendwann tot, weil der nie schläft, und wird wiedergeboren. Im besten Fall als Hamster. Der ist auch nachts aktiv und hat ein Rad.«
Würde jetzt gerne lachen und versuche, auch meine Mundwinkel von der Komik zu überzeugen, doch sie bleiben stur.
Trotzdem gebe ich nicht auf, und das ist so anstrengend, dass ich darüber das Schreien vergesse.
Ohne Erfolg.
So gebe ich frustriert klein bei und tröste mich mit dem Gedanken, dass der Hamster auch
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