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Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition)

Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition)

Titel: Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Ruscher
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bedeutet den Eltern, uns auf den Schoß zu nehmen und ihr nachzumachen, was sie mit Hilfe einer Puppe demonstriert. Sie hält ihr die Kulleraugen zu und singt: »Meine Augen sind verschwunden. Ich habe keine Augen mehr.«
    Spitzbübisch grinsend nimmt sie ihre Hände wieder weg und singt weiter: »Ei, da sind die Augen wieder. Tralalalalalala.«
    Bevor ich protestieren kann, geht es weiter mit ›Meine Hände sind verschwunden, ich habe keine Hände mehr‹.
    Ich hab’s doch gewusst. Sofort informiere ich Sören-Wotan und Levke-Fee, dass sich meine Vermutung nun bestätigt hat und der ganze Kurs eine subtile Vorbereitung auf unseren Kriegseinsatz ist.
    Levke-Fee guckt mich fragend an, und ich erkläre ihr, dass wir vermutlich später zur Bundeswehr gehen und uns bei Auslandseinsätzen aktiv einbringen sollen und dieses Lied uns frühzeitig, prophylaktisch und freundlich auf die Akzeptanz eventuell fehlender Gliedmaßen einstimmen will.
    Levke-Fee macht vor Aufregung ein Drückerchen auf Wiebkes Schoß.
    Alle Erwachsenen lachen bei dem Spiel, doch die Lage scheint ernst, denn selbst Papa als ehemaliger Zivildienstleistender macht munter beim Singen mit.
    Entsetzt entschließe ich mich, Pazifistin zu werden, und schlafe aus Protest ein.
    Kurze Zeit später wache ich erschreckt von lautem Gegröle auf.
    Die anderen Babys hängen auf dem Schoß der Erwachsenen und strecken passend zum Lied mit deren Hilfe dieArme nach oben und seitwärts wie Marionetten in einem Land ohne Bindfäden, während die Erwachsenen mit Verve in der Stimme singen: »Alle Leut, alle Leut geh’n jetzt nach Haus.«
    Sehr witzig. ›Gehen.‹ Hallo! Wir sind Babys.
    Wir können nicht gehen. Oder sind wir keine ›Leut‹? Oder soll das Lied uns darauf vorbereiten, dass die Erwachsenen gehen und uns hierlassen? Keiner klärt uns auf, statt dessen wird munter weitergesungen.
    »Alle Leut, alle Leut geh’n jetzt nach Haus.
    Große Leut, kleine Leut, dicke Leut, dünne Leut. Alle Leut, alle Leut geh’n jetzt nach Haus.
    Spielen ist aus.«
    Und was ist mit den normal großen Leuten, den stämmigen Leuten und den Obdachlosen? Finde das diskriminierend und nehme mir vor, die ganze Sache sofort auf Facebook zu veröffentlichen. Das wird ein Shitstorm, der sich gewaschen hat.
    Wir kriegen nun endlich unsere Strampler an, und ich bin froh, dass Sören-Wotan mich jetzt wieder mit Blicken ausziehen kann, denn das empfinde ich als wesentlich erotischer als die unmittelbare Präsentation nackter Tatsachen.
    Aloe-Vera macht nun einen auf Französin und verabschiedet Papa mit einem Küsschen rechts und links. Papa scheint das zu gefallen, denn er errötet augenblicklich.
    Scheinbar hat Aloe von seinem Schlafmangel gehört und will ihm durch Zuneigung Gutes tun, doch irgendwas daran stört mich, und ich beschließe, meine Eltern die ganze Woche durchschlafen zu lassen.
    ~
    Nicht nur Papa ist nach den PEKiP-Kursen immer gut gelaunt, sondern auch Mama. Jedes Mal, wenn wir nach Hause kommen, strahlt sie über das ganze Gesicht, und im Hintergrund läuft Musik: Mama liebt Schuppe, Frédéric Schuppe.
    Teddy ist genervt und stänkert: »Klavier, Klavier, Klavier, was anderes hat der offensichtlich nicht drauf, oh Mann.«
    Ich habe das Bedürfnis, sowohl Herrn Schuppe als auch den Musikgeschmack meiner Mama in Schutz zu nehmen, und erkläre ihm: »Der konnte wahrscheinlich nicht singen, der arme Mann.«
    Teddy wirkt wenig überzeugt, also versuche ich es anders: »Bestimmt war der romantisch veranlagt, hatte dann aber eine chronische Stimmbandentzündung oder eine gefährliche Koloratur-Allergie und zack, war’s mit der Vielseitigkeit aber so was von aus.«
    Mein Lebensabschnittsbegleiter fasst sich nun gequält an den Kopf, und ich versuche, ihn mit einem Scherz aufzumuntern.
    »Manchmal hört Mama auch Gewerkschaftsmucke. – Verdi.«
    Er guckt mich an und verdreht die Augen.
    »Ein Kalauer«, kichere ich, »ich weiß, und ich schäme mich dafür.«
    Aber nur kurz, denke ich, und sage: »Mo ist jedenfalls mehr mein Ding.«
    Mo Zart hieße der, sagt Mama immer, aber wir duzen uns.
    Außerdem – zart ist wirklich was anderes.
    »Bei dem geht’s dermaßen zur Sache«, begeistere ich mich laut, »Mann, Mann, Mann, da fidelt’s im Busch, und übermächtige Väter klammern wie zehn Monchichis an ihren Söhnen.«
    »Und Vogelfänger suchen was zum Poppen«, erwidert Teddy und kriegt glänzende Augen.
    Das muss also was Schönes sein.
    Mir ist das egal, es strampelt

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