Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition)
sich jedenfalls eins a dazu.
10. Sankt Martin und
der stinkende Dschinn
Mama will heute erst mit mir raus, wenn es dunkel ist.
Es ist so weit. Ich werde ausgesetzt.
Mama will sicher ein zweites Kind und braucht mein Zimmer.
Vermutlich soll ich mich im Wald verirren und im Knusperhäuschen als Vierhundertfünfzig-Euro-Kraft schuften. Nur ohne vierhundertfünfzig Euro. Prophylaktisch bitte ich Teddy, mir Dinkel-Amaranth-Kekse zum Krümeln einzupacken, an die gehen die Vögel garantiert nicht dran.
Aber Teddy ist mit Fellpflege beschäftigt und reagiert nicht, und schon gehen wir los.
Andere Mütter hatten die gleiche Idee und haben offensichtlich per Internet eine Sammelstelle eingerichtet. Zu der ziehen wir jetzt mit unseren Kinderwagen durch die Hauptstraße wie die Lemminge. Es herrscht der totale Ausnahmezustand.
Levke-Fee und Sören-Wotan sind zum Glück auch dabei, und Levke-Fee sagt aufgeregt: »So was Verrücktes, Mia, ich habe die gleiche Vermutung wie du und mir deshalb extra meinen Hello-Kitty-Schlafanzug anziehen lassen, der schreckt bestimmt jede Hexe ab.«
Sören-Wotan guckt sie anerkennend an, und ich frage ihn schnell: »Du weißt doch bestimmt, was das alles soll, du bist doch so schlau und immer gut informiert.«
Meine Strategie geht auf, denn er fühlt sich geschmeichelt.
»Das ist Karneval für Arme«, erwidert er souverän, »auchder Gesang, dieses ›Bum-Bum-Bumbumbum‹ weist darauf hin.«
Dankbar lächele ich ihn an und beobachte das Geschehen.
Die Mütter singen monoton das gleiche Lied wie die Sklaven, und ich suche die Baumwollplantagen. Vermutlich liegen sie irgendwo hinter den naturnah gestalteten Schaufenstern, die dafür werben, gefilzte Körnerkissen zu kaufen, die mit wiederausgekotzten Körnern von freilaufenden Wellensittichen befüllt worden sind.
»Für neunundvierzig Euro neunzig ist das ja ein echtes Schnäppchen«, kommentiert Sören-Wotan die Auslage.
Ich hingegen finde das Angebot irgendwie interessant.
»Schade, dass ich kein Geld dabeihabe«, seufze ich betrübt.
»Das hat man nie beim Ausgesetzt-Werden«, betont Sören-Wotan. »Man könnte sich ja sonst einfach ein Taxi nehmen und zurückfahren.«
Der Zug zieht weiter.
»Sicher will Frau Merkel alle Erstgeborenen aus der Stadt jagen«, vermute ich laut.
Sören-Wotan greift meine Idee auf. »Das würde auf jeden Fall eine Menge Kindergeld sparen.«
Wir gucken uns an und sind ratlos.
Derweil grölen unsere Mütter das ultimative Abschiedslied.
Als Erstes ist irgendein Martin dran.
»Immerhin darf er vorher nochmal reiten«, sage ich tröstend zu meinem Freund.
Sankt Maaaartin, Sahankt Maaaartin.
»Ja, aber der hat es gleich hinter sich, und als Nächstes kommt dann wohl Sankt Mia«, murmelt Sören-Wotan traurig.
Levke-Fee hingegen niest mir ins Gesicht und sagt entschuldigend: »Ich habe eine Pferdehaarallergie.«
Vermute Gründe der Eifersucht hinter diesem Anfall und schaue ignorant an ihr vorbei, um nun endlich das herannahende Pferd genauer unter die Lupe zu nehmen.
Ich bin erstaunt und ziehe aufgeregt an Sören-Wotans Ärmel.
»Auf dem Ross sitzt gar kein kleiner Martin, sondern ein erwachsener Mann mit einem roten Besen auf dem Kopf«, berichte ich irritiert, doch bevor mein Freund etwas antworten kann, beugt sich Mama zu mir runter und erklärt uns mit salbungsvoller Stimme, der Mann sei sehr gütig und teile gleich seinen Mantel mit einem schwervermittelbaren mutig riechenden Liebhaber von preiswertem Alkohol.
Wiebke und Bettina lachen, und Mama wundert sich.
Ich hingegen warte auf die Performance.
Nichts passiert.
»Der Depp hat wahrscheinlich die Schere vergessen«, flüstert Sören-Wotan mir zu, doch die Dunkelheit macht mich müde, und ich nicke ein.
Eine Weile später wache ich erstaunlicherweise in meinem Bettchen auf. War das alles nur ein Traum? Verwirrt gucke ich mich um und werde eines Besseren belehrt, denn in meinem Bett liegt ein brauner Weckmann.
Ratlos frage ich Teddy: »Was ist hier los? Habe ich was verpasst?«
Er antwortet schmunzelnd: »Du hattest laut mitgesungen.«
Gucke ihn verständnislos an.
»Gregorianisch«, ergänzt er grinsend, »Mama ist sofort mit dir in einer hohlen Gasse verschwunden.«
Großartig. Was für eine Information.
Offensichtlich ist Mama im Widerstand. Bin stolz auf sie und denke nach.
»Meine Mutter ist vermutlich Jeanne d’Arc«, sage ich zu Teddy.
Er findet den Gedanken scheinbar witzig, denn er lacht und ergänzt: »Oder sie ist
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