Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition)
er es ja ganz schön gut.
Ob sie jetzt mitten in der Nacht schon wieder damit anfangen wolle, stöhnt Papa, das hätten sie doch schon hundert Mal durchgekaut.
Ihm seien ja nicht die Aufträge weggebrochen, weil er schwanger geworden sei, ruft Mama verzweifelt, da könne er natürlich beruhigt schlafen, aber was mal aus ihrem Leben werden solle, wenn sie weiter diesen Schlafmangel hätte, ihre ganze Kreativität würde den Bach runtergehen, und Sex hätten sie auch keinen mehr.
Ich fühle mich unwohl und schreie, um abzulenken.
Wie das denn auch vonstattengehen solle, brüllt Papa nun verzweifelt, immer hinge Mia an ihrer Brust, und dann tätenihr die Brustwarzen weh und die Milch laufe heraus, das sei – nun ja – nicht gerade das, wovon Männer nachts träumten, und dann sei sie zu müde, und wann sie denn schon mal alleine seien, ob sie ihm das mal sagen könne.
Nun weint Mama und sagt, sie wolle das nicht vor dem Kind mit ihm besprechen.
Das kann ich gar nicht gut sehen.
Ich gucke Mama an und lächle mein schönstes Lächeln, um sie aufzumuntern.
Es funktioniert.
Sie lächelt zurück und sagt, dass sie sich eben ein bisschen mehr Mühe geben müssten, sonst ginge ihre Partnerschaft den Bach runter, und dass sie ihre Mia jedenfalls gegen keine Vernissage der Welt eintauschen würde, so viel stünde fest, das Kind sei das Beste, was sie in ihrem Leben bis jetzt erlebt habe.
Papa ist nun ein bisschen beleidigt, streicht mir aber trotzdem liebevoll über den Kopf und gibt Mama einen Kuss. Nun kann ich endlich beruhigt einschlafen.
Nehme mir vor, von nun an häufiger abends direkt im Elternbett einzuschlafen, damit sie sich nicht mehr darum streiten müssen, wer nachts aufsteht, um mich zu holen.
~
Tatsächlich ist Teddy am nächsten Morgen wieder da, und ich bin rundum glücklich.
Schlafend liegt er in meinem Bett, und Mama wundert sich.
Teddys Ausflüge müsste sie doch eigentlich noch aus ihrer Kindheit kennen, denke ich und ahne langsam, dass das ganze Programm der Beziehung zwischen Teddy und Kind mit zunehmendem Alter gelöscht wird.
Verdrücke eine Träne und kuschele mich ganz fest an Teddy. Nehme mir vor, ihn nie mehr loszulassen.
~
Doch es kommt anders. Eine Woche später ist wieder PEKiP-Kurs. Teddy weigert sich hartnäckig, mitzukommen. Er schiebt die zu erwartende Hitze vor und klammert sich an die Stäbe unseres Gitterbettchens. Schweren Herzens lasse ich ihn zurück.
Mama hat ein wichtiges Gespräch mit einem Kurator, und Bettina ist krank, deshalb sind diesmal neben Wiebke auch Papa und Marlon dabei.
Nichtsahnend ziehen sie uns auf Aufforderung von Aloe-Vera aus und machen es sich gemütlich.
Wir pieseln los.
Papa springt auf und will sich entschuldigen, aber Aloe-Vera reicht ihm behände den Eimer mit Wasser und Schrubber, und bei der Übergabe berühren sich ihre Hände.
Papa lächelt Aloe-Vera dankbar an, und sie säuselt, das sei gar kein Problem, und wenn irgendetwas mit seiner Mia wäre, sie hätte immer ein offenes Ohr, er könne sie jederzeit ansprechen.
Ihr Tonfall kommt mir ungewöhnlich vor, und ich beschließe, sie im Auge zu behalten.
Aloe-Vera packt nun alte, vermutlich von anderen Babys angesabberte Smartiesrollen aus, die sie mit Reiskörnern gefüllt und an den Enden mit Kreppband zugeklebt hat.
Ich bin entsetzt.
Mama sagt immer ›Mit Lebensmitteln spielt man nicht‹, und zum ersten Mal bin ich froh, dass sie nicht da ist. Mit Sicherheit hätte sie jetzt einen Vortrag darüber gehalten, dass arme chinesische Reisbauern diese Körner nur mitHilfe von Wasserbüffeln in mühevoller Schwerstarbeit ernten und sich vermutlich umbringen würden, wüssten sie, dass ihre kostbare Ernte auf einem anderen Kontinent in durchweichten Bonbonrollen ein trübes Dasein fristen, um nackige Akademikerbabys zu bespaßen.
Sören-Wotan ekelt sich gleichermaßen vor den feuchten Rollen und sucht nach Erklärungen: »Sicher hat die grundgütige Aloe-Vera die bunten Schokolinsen in allabendlicher Verzweiflung unter Selbstaufopferung in sich reingestopft, um uns unsere ersten postnatalen Musikinstrumente zu basteln.«
Ich gebe ihm Recht und beginne, mich nach dem Stofftapir zu sehnen.
Alle singen nun gemeinsam: »Zehn kleine Zappelmänner zappeln hin und her, zehn kleinen Zappelmännern fällt das gar nicht schwer.«
Fühle mich diskriminiert und schweige verbittert.
Papa scheint die unangebrachte männliche Dominanz in dem Lied nicht aufzufallen, denn er spielt engagiert
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