Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition)
Luftgitarre dazu. Während ich noch darauf warte, dass Aloe-Vera ihn zurechtweist, beginnt sie, ausgelassen zu lachen und ihn mit ausgestrecktem Daumen zum Weiterspielen zu ermuntern, und ich frage mich, ob das zielgerichtet oder einfach nur mühsam antrainierte Lebenseinstellung ist.
Kurz darauf sagt sie, dass nun Zeit für Gespräche zwischen den Eltern sei und dass dies hier auf jeden Fall der richtige Raum sei, um sich über die Probleme des Alltags mit Kindern zu unterhalten, sei es über Stillprobleme oder den Umgang mit der Veränderung des Unterleibs oder was auch immer sie wollten.
Marlon guckt einen Moment lang irritiert auf seinen Unterleib, doch dann fragt er Papa, für welchen Kinderwagen er sich eigentlich entschieden habe.
Papa antwortet, sie hätten den Sitter-Alu-Cross gebraucht gekauft, das sei ein echtes Schnäppchen gewesen.
Marlon ist entsetzt, doch Wiebke ruft begeistert, dass sei ja wirklich pfiffig von Chris und Heike gedacht, da seien ja dann nämlich alle Schadstoffe schon längst ausgedünstet.
»Das sind ja mal gute Nachrichten«, sage ich zu Sören-Wotan, »aber das beige-braune Kack-Design finde ich eher gewöhnungsbedürftig, du nicht?«
Sören-Wotan grinst und lacht.
Um Gottes willen, ruft Marlon, der habe aber bei Stiftung Warentest gaaanz schlecht abgeschnitten, ob sie das nicht gelesen hätten, also er habe ja den Dubadoo S1.
Stolz überprüft er den Sitz seines gegelten Haares.
Nun ist Papa wiederum überrascht und bemerkt, soweit er wisse, koste der Dubadoo S1 doch neunhundert Euro, in Worten neunhundert, und dass Marlon das schöne Geld doch viel besser in die Ausbildung des Kindes hätte investieren können, Sörens Chinesischlehrer brauche doch schließlich auch was zwischen die Kiemen, und immer nur Hund sei ja auch keine Lösung.
Er zwinkert Wiebke zu, aber Marlon tut so, als hätte er Papas Provokation nicht gehört und nestelt überlegen an seiner Gucci-Krawatte herum.
Levke-Fee habe natürlich den alten Kinderwagen bekommen, in dem sie schon gelegen habe, schaltet sich Wiebke ein, das sei doch süß, woraufhin Marlon geschockt ist und sagt, das sei ja entsetzlich, der sei doch gar nicht anständig gefedert.
Aber geteert sei der, kontert Papa flink.
Sören-Wotan kichert, und ich habe das Gefühl, dass er sich mit seinem Schwiegervater gut verstehen wird.
Jetzt aber ist Marlon in seinem Element und doziert, sie seien ja verrückt, sie sollten mal an die Wirbelsäule denken,was da alles passieren könne, also an so was sollte man nicht sparen, da wäre er ganz sicher, und er würde finanziell für seinen Sören-Wotan keine Mühe scheuen.
»Aber mein Sitter-Alu-Cross ist auf Waldboden sehr gut«, begründet Papa den Kauf meiner Karre.
»Genau, da passt er sich auch farblich gut an«, flüstere ich Sören-Wotan zu, und er rollt zustimmend mit den Augen.
Marlon hingegen ist sprachlos.
Waldboden, krächzt er heiser, in der Stadt, wo gäbe es denn so was.
Überall, kommt Wiebke Papa zu Hilfe. Gereizt über so viel snobistische Arroganz kontert sie, der Dubadoo S1 sei doch nur was für reiche Latte-Macchiato-Mamis mit Manufaktum-Abo.
Marlon schnappt nach Luft, doch bevor er etwas erwidern kann, fordert Aloe-Vera ihn nun auf, mit ihr zusammen die feuchten Smartiesrollen einzusammeln, was er widerstrebend, aber doch erstaunlich folgsam und behände tut.
Alle singen noch mal ›Zehn kleine Zappelmänner‹ und wackeln debil mit ihren Händen vor unseren Köpfen hin und her.
Levke-Fee schläft bereits, während Sören-Wotan und ich das alberne Fingerspiel notgedrungen geschehen lassen.
»Sieht aus wie Arthrose-Gymnastik«, brüllt mir Sören Wotan zu, um das begeisterte Singen der Erwachsenen zu übertönen. Ich gebe ihm Recht und denke, dass es vermutlich das Schicksal der Kinder von Spätgebärenden ist, derartige Situationen gelassen hinnehmen zu müssen.
Gegen Ende der Stunde habe ich nun das Gefühl, dass diese gemeinsame Erfahrung das zarte Band um Sören-Wotan und mich nur noch fester zusammenschweißt.
9. Mama will ihr Ding machen
Mama sucht mit mir gerade meine Füße, als das Telefon klingelt. Ein Kurator ist dran, das erkenne ich an Mamas hoher und aufgeregter Stimmlage. Sofort macht sie hektische Zeichen in meine Richtung und verschwindet mit dem Telefon in der Küche.
Ich fühle mich verlassen und schreie.
Mama kommt mit zugehaltenem Smartphone zurück, stopft mir in Windeseile den Schnuller in den Mund und rennt wieder zurück.
Also so geht
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