Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition)
Fassungsvermögen meiner kindlichen Backentaschen nicht zufrieden und imitiere die Verdauungskompetenz einer Kuh.
Levke-Fee erzählt, sie parodiere an selber Stelle immer Bulimiekranke, aber das finde ich geschmacklos und bin der Meinung, dass der Kuh-Vergleich reicht.
Zu meiner großen Freude habe ich scheinbar Talent bei der Rindviehimitation und verwandle Mamas Pulli in ein Unikat.
Erstaunlicherweise gelingt es ihr nicht, sich angemessenzu freuen, denn sie schreit etwas von übergelaufenen Fässern und dass sie ihre Hebamme mit deren TOLLEN BEIKOST-TIPPS verklagen wolle.
Trotz alledem versucht sie weiter, mich von der kulinarischen Offenbarung von Möhrchen und Pastinake zu überzeugen.
»Fuck the Möhrchen«, schreie ich siegessicher und bilingual und presse meine Lippen aufeinander.
Mittlerweile ist es Abend, die gelbe Wand wollweiß und orange gescheckt wie dreckige Schäfchenwolken am Feinstaubhimmel und Mama schweißgebadet, als Papa nach Hause kommt.
Er schaut auf uns, dann auf die Gläschen, will uns aufheitern und sagt scherzend, Möhrchen kenne er ja, aber was denn Pastinake sei, davon hätte er noch nie gehört, das sähe ja aus wie frisch Erbrochenes, haha, und wie denn unser Tag gewesen sei, bestimmt schön, so gemütlich zu Hause.
Mama bricht unter Weinkrämpfen zusammen. Papa und ich sind beste Freundinnen. Das hat Zukunft.
Mama sieht das anders und schreit Papa an, er solle doch einfach zu seiner Aloe gehen, da gäb’s bestimmt Pastinake auf Hängebrust, die könne er ihr dann abschlecken, dann wisse er auch, wie das schmecke.
Igitt, denke ich, das Zeug wird auf der Brust von der PEKiP-Lehrerin geerntet. Ein Grund mehr, es nicht mehr anzurühren, das ist ja wirklich widerlich.
Papa reicht Mama ein Taschentuch und erwidert liebevoll, das mit Aloe sei doch längst vorbei, und ob sie ihm denn immer noch nicht verziehen habe, und es sei scheinbar ein harter Tag für sie gewesen, sie sähe ja ganz mitgenommen aus.
Mama reagiert entrüstet und krächzt, er könne ja das nächste Mal versuchen, Mia zu füttern, dann sähe er auch mitgenommen aus, und sie habe sowieso schon längst gemerkt,dass er sie nicht mehr attraktiv fände, oder weshalb er jeden Abend mit Bier vor der Glotze sitzen würde, statt ihr mal was Gutes zu tun und sie zu massieren, so wie früher.
Papa seufzt und will sie in den Arm nehmen, aber sie stößt ihn weg und verbirgt ihr Gesicht in den Händen.
Mann, Mann, Mann, hier läuft aber gerade gründlich was schief.
Will sie unbedingt aufmuntern und versuche angestrengt, zum ersten Mal alleine sitzen zu können, damit sie richtig stolz auf mich ist, aber es klappt einfach nicht. Stattdessen zeige ich nun auf die Schäfchenwolken an der Wand und imitiere lautmalerisch so gut es geht ein gerade geborenes Lamm.
Sie reagiert nicht, und Papa übernimmt das Ruder.
Er sagt, natürlich sei sie attraktiv, sie sei sogar so attraktiv, dass er es manchmal gar nicht aushalten könne und sich dann mit Glotze und Bier ablenken müsse, um nicht permanent über sie herzufallen.
Das scheint zu wirken.
Mama schaut auf und fängt an zu lächeln. Papa zwinkert ihr zu, lacht erleichtert und nimmt sie in den Arm.
Ich denke, dass ›Bier und Fernseher‹ für nichts eine Lösung sein kann und dass er sich schnellstens eine Brille kaufen sollte, damit er nicht dauernd über Mama fällt, doch Papas Lachen ist so ansteckend, dass ich vergnügt mit einstimme.
Auch wenn es mich wirklich mächtig ärgert, dass ich vieles motorisch und sprachlich noch nicht beherrsche, muss ich feststellen, dass es schön ist, Mitglied einer Familie zu sein. Dieser Familie.
Ab heute darf Papa wieder bei uns im Elternbett schlafen, und ich fühle mich wie neugeboren.Nach diesem für beide Seiten traumatischen Erlebnis mit der widerlichen Pastinake, besucht Mama begeistert Beikost-Seminare. Nach jeder Kurseinheit kommt sie beschwingt nach Hause und kocht nun Breie aus Blumenkohl, Broccoli, Möhren und was sonst noch ungestört draußen herumwuchert. Es würde mich wundern, wenn da nicht auch mal ein Schneckchen oder eine kleine Lauchmotte püriert die Wiedergeburt erwarten würde.
Heute gibt es Bio-Karotten.
»Das wollen wir doch mal sehen«, murmelt sie, »es muss doch einen Weg geben, nur ein bisschen Öl dran, dann rutscht das runter wie ne Eins, das wär doch gelacht, haha.«
Mama lächelt überlegen, verschwindet im Schlafzimmer und kommt als Sannyasin verkleidet zurück. Das ganze Gewand leuchtet
Weitere Kostenlose Bücher