Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition)
aus.
Oma befeuchtet mit ihrer Zunge ein Stofftaschentuch, wischt damit meine Mundwinkel ab und steckt mir den Nucki wieder rein.
Igitt, denke ich, so was braucht ja keiner.
Sie scheint daran jedoch nichts Ekliges zu finden und beginnt nun zu lesen, dass Bobo krank ist und ein Zäpfchen kriegt. Das meint sie nicht ernst. Gucke sie verständnislos an.
Freundlich wiederholt sie die beängstigende Krankengeschichte, denn offensichtlich meint sie es tatsächlich ernst. Als sei das nicht schon geschmacklos genug, kommt das Schlimmste erst noch:
Das Buch hat Bilder. Schlecht gemalt zwar, aber die Details stimmen. Man sieht alles, wirklich alles.
Spucke den Nucki wieder aus und rufe entsetzt: »Wer will das denn? Und was wird aus Bobos Psyche, wenn drei Millionen Kinder Einblick in seine Rosette haben?«
Teddy horcht auf und sagt: »Vielleicht genießt Bobo das ja. Man weiß ja nie, wie Siebenschläfer ticken, womöglich sind die exhibitionistisch veranlagt.«
Er kichert: »Ich freue mich schon auf das Kapitel ›Bobo im Darkroom‹ oder ›Bobo und Hobo drehen einen Schwulenporno‹.« Ich gucke ihn erstaunt an.
»Ja gut«, räumt er ein, »du kannst es auch ›Erotikfim mit gleichgeschlechtlichen Nagetieren‹ nennen.«
Verstehe nicht, was er meint und starre auf die Rosette.
Das soll ich also auch erleben.
Vergleiche Bobos Erfahrungen mit meinen und habe zugegebenermaßen Schwierigkeiten mit dem Wiedererkennen, Oma aber merkt von alldem nichts und liest weitere neun Bobo-Episoden.
Ernüchtert stelle ich fest, dass Bobo Siebenschläfer ansonsten ein echter Couch-Potatoe ist und nach jeder Geschichte sofort einpennt.
»Der schläft sogar durch«, greift Teddy begeistert meine Beobachtung auf und will unbedingt, dass ich das von nun an auch mache, denn auch er würde gerne mal wieder eine Nacht durchschlafen.
»Guck mal wie der das macht, der schläft bis acht, das willst du sicher auch mal probieren, gell?!«
Ich kontere: »Oma hat gesagt, Siebenschläfer sind nachtaktiv ...«
»Ja, aber der Bobo schläft durch!«
»... die sind nachts wach und machen die ganze Zeit so viel Krach wie Rammstein und die Müllabfuhr zusammen, die können gar nicht anders.«
»Ja, aber die machen auch Winterschlaf !«
»Mensch Teddy, es ist Sommer!«
»Aber ein kalter.«
Mhmf. Ich gebe auf.
Oma liest weitere lustige Geschichten von Bobo Siebenschläfer vor, und ich vermute, dass die abgefeimten Dialoge mit Sicherheit selbst Marcel Reich-Ranicki aus den schlesischen Socken hauen.
»Ja, man erfährt wirklich Interessantes, und du kannst deinen sprachlichen Horizont ins Unermessliche erweitern«, stimmt Teddy mir grinsend zu.
Oma zeigt auf die Bilder und den Text und sagt, dass Lili Bobo ein Pommes-frites-Schnitzel in den Mund steckt.
Ich gucke sie ungläubig an.
Oma wiederholt geduldig das Gesagte.
Was um Himmels willen ist ein Pommes-frites-Schnitzel? Eine Pommes-Portion wälzt sich in Paniermehl und macht einen auf Fleisch, denn das hat es vom Tofu gelernt? Hallo? Ein Siebenschläfer frisst Bucheckern, Eicheln, Haselnüsse und sonntags vielleicht mal Kastanien! Aber kein Pommes-frites-Schnitzel! Ähnlich unrealistisch geht es weiter, denn Nina will Bobo auch eines geben und kippt dabei den Apfelsaft um.
Das Tier ist kleiner als ein Eichhörnchen, soll aber zwei Schnitzel essen, und zwar Pommes-frites-Schnitzel, und kriegt noch nicht mal was zu trinken.
»Der soll wohl gemästet werden!«, rufe ich Teddy erschrocken zu, und er bestätigt: »Sicher steckt da die Hexe hinter.«
Jedenfalls ist der Apfelsaft nun aushäusig unterwegs, und die Reaktion bleibt nicht aus, denn Oma liest, dass die Großmutter daraufhin nichts weiter als ›Jaja, die Kinder‹ sagt und die Flecken wegwischt, offensichtlich eine ganz normale und gelassene Reaktion bei Senioren im Siebenschläfer-Milieu.
»Was soll sie auch anderes machen«, sagt Teddy lakonisch, »die Prügelstrafe ist verboten, und das nächste katholische Internat meilenweit entfernt.«
Ein Glück, denke ich und muss anerkennen, dass die Geschichten wirklich sensationell verrückt sind. »Bobo im Schwimmbad« entpuppt sich sogar als mein Lieblingskapitel.
Oma liest, dass Bobo ins Wasser möchte, dann aber, als er seinen Fuß ins Wasser setzt, erst mal spontan ›Pipi!‹ sagt.
Sofort frage ich mich, ob er mal muss oder einfach nur die Wasserqualität in Freibädern realistisch einschätzt.
Tippe auf Ersteres, denn er geht mit Mama zur Toilette.
So, und nun
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