Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition)
»Es ist eben ein Kreuz mit den Spätgebärenden«, und zuckt mit den Schultern.
»Meine arme Mama«, sage ich, »der Lack ist einfach ab.«
Aus Mitleid lasse ich mir nichts anmerken, spiele mit und schenke ihr einen frischen Popel. Merkwürdigerweise reagiert sie entsetzt. Offenbar war also nur die erste Auflage wertvoll, denn sie schnippt das Ding energisch hinter die Wickelkommode, als es an der Tür klingelt.
Es ist Wiebke, und sie fragt Mama, ob sie meine alten Strampler geliehen bekommen könne.
Mama sagt erstaunt, dass Levke-Fee ja zwar tatsächlich kleiner sei als Mia, aber dass die Strampler doch auch für ihre Nichte mittlerweile zu klein seien und dass Wiebke womöglich eine Brille brauche.
Wiebke grinst und sagt nichts.
Mama guckt sie an, reißt ihre Augen auf und ruft: »Nein, das glaube ich jetzt nicht! Du bist schwanger?«
Wiebke nickt und freut sich wie ein Schneemann über seine Möhre.
Mama fragt: »Und der Hund?«
»Der ist nicht schwanger«, antwortet Wiebke prompt.
Die Veränderung scheint ihr gutzutun, denn so schlagfertig habe ich sie noch nie erlebt.
»Entschuldige, Wiebke, ich freue mich so sehr für dich, aber sag mal, hat das jetzt einfach so geklappt?«
Wiebke grinst.
»Oder hast du ... ist Lutz nicht ... Wiebke!«
»Doch, natürlich ist Lutz der Vater. Das mit der Samenspende von Frederick Leboyer ging ja nicht. Ich hab den noch angerufen, aber er wollte nicht mitmachen.«
Mama weiß nicht genau, ob Wiebke sie veräppelt, und lächelt vorsichtshalber neutral.
»Lutz und ich hatten das Vorhaben schon aufgegeben, und dann plötzlich, neulich, zack – hat es einfach so geschnackelt, ich kann es selbst noch kaum glauben, und jetzt bin ich guter Hoffnung, ist das nicht toll?!«
Ich weiß wirklich nicht, was daran toll sein soll.
Guter Hoffnung, das ist Papa auch häufig. Neulich noch sagte er, er sei guter Hoffnung, dass es bei ihm beruflich wahrscheinlich klappen könne, in Elternzeit zu gehen, falls in nächster Zeit jemand schwanger werden würde. Dabei hat er sehr überzeugend gelächelt, das gebe ich zu, aber dass Wiebke dieses Angebot so wörtlich nimmt und sofort loslegt, überrascht mich sehr.
Mama antwortet: »Ich finde das einfach großartig, Wiebke! Ich freue mich unglaublich ...«
Es ist nicht zu fassen. Es scheint sie kein bisschen zu stören, dass Papa dann demnächst noch weniger Zeit für uns hat.
Wiebkes Kind scheint schon in den nächsten Tagen zu kommen, denn sie hakt ungeduldig nach: »Kann ich denn die Strampler jetzt mitnehmen?«
»Nein, das geht leider nicht«, sagt Mama und errötet leicht, »ähem, ich muss sie noch waschen, und teilweise haben sieLöcher, das muss ich erst mal alles durchgucken, du brauchst sie ja auch noch nicht so früh, willst du einen Tee?«
Ohne eine Antwort abzuwarten fragt sie nun nach meinen Ohren.
Schrecklich, solche Krankheiten.
Sie scheint das jedoch nicht zu stören, denn sie flötet hingebungsvoll: »Wo sind die Ohren, Mialein? Ja, zeig mir mal deine Ohren! Ja, wo sind sie denn, die kleinen Babyöhrchen?«
Merkwürdig. Die Sehschwäche scheint sich nur auf meine Körperteile zu erstrecken. Den Körper im Ganzen sieht sie. It’s magic.
Mama und Wiebke gehen in die Küche und setzen Teewasser auf, und ich krabble eifrig hinterher.
»Ich habe auch schon eine Beleghebamme.«
Mama ist verblüfft.
»Du bist ja früh dran, wow, das ist ja wunderbar, wie heißt sie denn?«
»Gudrun-Rudolf-Steiner Wiebkötter.«
Mir fällt die Kinnlade runter.
Mama geht es ähnlich, denn sie kreischt: »Waaas? Bist du dir sicher, dass du das willst?«
»Ja, sie macht einen kompetenten Eindruck, und Bettina hat sie mir empfohlen.«
»Bettina?«
»Ja, sie kennt sie wohl etwas besser, die beiden sind Freundinnen, und Bettina schwärmt geradezu von ihr.«
Mama ist perplex, und ihr Sprachvermögen ist offensichtlich nur noch eingeschränkt verfügbar, was sie mir ungemein sympathisch macht.
Sie stammelt: »Schwärmt? Freundinnen?«
»Jaha, Freundinnen! Du weißt schon, zusammen ins Kino gehen, Ausflüge machen, Shoppen, das ganze Programm.«
Hastig überlege ich, mich von Sören-Wotan zu trennen, denn ich fürchte, dass in seiner Familie genetisch etwas nicht stimmt.
Mama scheint meine Bedenken zu teilen, denn sie murmelt vor sich hin, sie habe ja immer schon gewusst, dass mit Bettina etwas nicht in Ordnung sei, aber dass das solche Ausmaße annimmt, das verwundere sie nun doch.
Nachdenklich teilt sie Wiebke mit, dass sie das
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