Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition)
meine Hand weg, sieht meinen traurigen Blick und kuschelt sich versöhnlich in meinen Arm.
»Keine Sorge, ein paar Jahre bleibe ich noch, ich will doch überall dabei sein, bei deinem ersten Schritt, in der Kita, in der Grundschule, und bei deinem ersten Kuss.«
»Bei Letzterem sicher nicht«, flüstere ich Teddy verschämt zu, als Mama mir die Tränen wegwischt und mich auf den Arm nimmt.
»Mein Mialein, jetzt wollen wir ordentlich deinen ersten Geburtstag feiern, und wo kann man das besser, als umgeben von Kunst! Was für ein wunderschöner Tag!«, ruft sie beschwingt und tanzt mit mir durch den Raum.
Ich bin platt: Von dem Geburtstag hat mir keiner was gesagt.
»Das sollte eine Überraschung werden«, erklärt Teddy.
Das ist ihnen gelungen.
Mein Geburtstag.
Heute vor einem Jahr hat mich der Mutterkuchen verlassen, und ich habe zum ersten Mal in die Augen von Gudrun-Rudolf-Steiner Wiebkötter geguckt. Ich frage mich ernsthaft, warum man das feiern sollte.
Immerhin habe ich Mama und Papa an dem Tag endlich persönlich kennengelernt, das ist unbestritten ein großartiges Ereignis, für das ich sehr dankbar bin.
Ich liebe meine Eltern.
Kurz darauf trat dann auch noch Sören-Wotan in mein Leben und hat es gründlich auf den Kopf gestellt. Bei dem Gedanken an ihn wird mir ganz schwummerig und heiß, und ich fühle mich wie beim PEKiP-Kurs, nur besser.
Ich erröte und versuche, einen verhuschten Eindruck zu machen, um die Aufmerksamkeit wieder auf die Kunst zu lenken und wie eine echte Künstlerin zu wirken. Aber Sören-Wotan beachtet mich nicht, sondern rasselt lautstark mit Bettinas Schlüsselbund, und ich bin ein bisschen beleidigt.
Mama begrüßt Bettina mit einem Kuss auf die Wange und fragt, wo denn Marlon sei. Das erkläre sie später, flüstert Bettina, jetzt wolle sie erst einmal Mamas Kunstwerke in Augenschein nehmen. Sie lächelt, nimmt sich einen Prosecco und flaniert beschwingt durch die Räume.
Wiebke setzt Levke-Fee zwischen Sören-Wotan und mich auf die Patchworkdecke, die Mama aus alten Pullovern selber geklöppelt hat.
Ich denke, Künstlerin hin oder her, für eine Dreiecksbeziehung bin ich mir zu schade, und krabble an Sörens Seite.
Dann verteilt Mama an alle Prosecco – selbst Oma nippt am Alkohol, was mir zeigt, dass es wirklich für alle ein besonderer Tag zu sein scheint – und stellt sich auf eine Kiste.
»Liebe Freunde, es freut mich sehr, dass ihr alle ...«
Mitten im Satz hält sie inne, denn die Tür geht auf, und Gudrun-Rudolf-Steiner Wiebkötter spaziert herein, als gehöre sie zur Familie. Mir fällt vor Schreck der Nucki aus dem Mund, und ich flüstere: »Was will die denn hier?«
Sören-Wotan gibt ihn mir wieder und sagt trocken: »Das wirst du gleich sehen.«
Die Hebamme sieht irgendwie verändert aus, ja tatsächlich, sie ist weicher im Gesicht und federnder im Gang. Vielleicht hat sie endlich mal Urlaub gehabt oder ein Lifting, denke ich und stöhne dennoch auf: »Wahrscheinlich hat Mama sie eingeladen, weil heute mein Geburtstag ist und ich mich an diesen ersten Tag sozusagen in 3D erinnern soll.«
Sören-Wotan guckt mich verständnislos an, und ich rede schnell weiter: »Ich hoffe ernsthaft, dass ich nicht gleich auch noch durch einen dieser lustigen roten Spieletunnel krabbeln soll, um die Geburt zu simulieren.«
Sören-Wotan fängt an zu lachen.
»Und ein Mutterkuchen-Imitat aus selbstgemachter Knetegleich hinterher, oder was«, kichert Levke-Fee, die unsere Unterhaltung schamlos belauscht.
»Nein, nein, sie ist nicht wegen uns da«, murmelt Sören-Wotan und zeigt auf die Hebamme.
Gudrun-Rudolf-Steiner Wiebkötter winkt Mama zu, geht schnurstracks auf Bettina zu und gibt ihr einen Kuss.
Auf den Mund. Sensationell.
Ich bin sprachlos und ziehe mich am Tisch hoch, um nichts zu verpassen.
Bettina scheint das nicht zu stören, ganz im Gegenteil, sie erwidert den Kuss und streicht Gudrun-Rudolf-Steiner Wiebkötter zärtlich über die Haare.
Ich plumpse auf meinen Allerwertesten.
»Na, was hab ich gesagt«, holt Sören-Wotan mich aus meiner Schockstarre, »das geht schon seit einer Weile so, ich kann schon gar nicht mehr hingucken.«
Bettina klopft an ihr Glas und sagt: »Wo wir schon mal beim Redenschwingen sind, ich habe mich von Marlon getrennt und bin jetzt mit Gudrun zusammen, und wer etwas dagegen hat, der soll das für sich behalten.«
So, das sei jetzt raus, murmelt sie und kippt sich einen weiteren Prosecco in den Hals.
Mama ringt nach
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