Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition)
kauft, und ich empfehle ihr mein getrocknetes Gekötzeltes in Öl auf Spucktuch, das wird in der PEKiP-Sauna ganz ausgezeichnet die Wand verschönern und meine Haushaltskasse aufbessern.
24. Ich bin dann mal weg
Es gibt Studien, die besagen, dass durch Schockerlebnisse so viel Adrenalin im Körper eines Menschen ausgeschüttet wird, dass er zu Höchstleistungen fähig ist.
Das kann ich bestätigen, denn der gestrige Tag zeigt seine Wirkung: Ich kann laufen!
Endlich!
Was heißt hier ›laufen‹, ich renne mit ›Lack‹ durch die Gegend. ›Lack‹ ist ein kleiner, leichter Tisch einer schwedischen Möbelhauskette, die sich durch den Verkauf von Teelichtern finanziert, wie Teddy mir erklärt. Wenn ich ihn vor mir herschiebe, kann ich so wunderbar gehen wie Senioren mit einem Rollator.
»Babys und Senioren haben mehr gemeinsam, als ich dachte«, sage ich zu Teddy, »beide laufen mit Gehhilfen, haben Probleme mit den Zähnen und nuckeln aus Trinkhilfen.«
Teddy grinst, und ich laufe, was das Zeug hält.
Papa flippt vor Freude aus und ruft Mama, die erschöpft von den Strapazen des gestrigen Tages auf dem Sofa liegt. Sie rappelt sich mühsam auf und stöhnt, doch als sie mich mit ›Lack‹ sieht, geht ein Leuchten über ihr Gesicht.
»Hol den Camcorder«, ruft sie, »schnell, das ist ja sensationell!«, und Papa sprintet los.
Ich renne ihm nach, als wäre Berlusconi hinter mir her.
Überlege, womit ich mich dopen kann, denn das ist für einen anständigen Sportler heute unumgänglich, da fällt mein Blick fällt auf Papas Ramazotti-Flasche. Verschiebeden Gedanken auf später und schiebe ›Lack‹ durch die komplette Wohnung, meine Eltern mit der gezückten Kamera immer im Schlepptau.
»Die Karawane zieht weiter, der Sultan hat Durst«, singt Papa fröhlich.
»Das heißt ›Dä Sultan hät Doosch‹«, korrigiert Mama ihn, »aber ich geb dir gerne einen Abend pro Woche für einen kölschen Sprachkurs frei, wenn du in Elternzeit bist.«
Sie grinst schelmisch und zwickt ihn liebevoll in die Backe.
Papa lächelt unsicher und brummelt: »Ja, ich weiß, ich hab’s versprochen.«
»Ja-ha, das hast du! Sogar vor Zeugen!«, frohlockt Mama.
Papa schluckt.
»Mensch Chris, das wird super«, versucht Mama ihn aufzumuntern, »nur so kriegst du eine ganz enge Bindung zum Kind, und Mia hat auch endlich mal mehr von dir als immer nur die Abende und Wochenenden.«
Dann flüstert sie: »Und wenn ich nicht mehr diesen dauernden Schlafmangel aushalten muss, wird es auch sexuell wieder interessanter.«
Nun lebt Papa auf und schöpft sichtlich Hoffnung.
»Außerdem kriegen wir dann zusätzlich zu meinem Einkommen als Künstlerin doch auch noch Elterngeld, ist das nicht großartig?«, flötet Mama und schmiegt sich in Papas Arm.
Papa gibt ihr beherzt einen Kuss und sagt grinsend: »Das stimmt. Und Elterngeld ist ja wie Arbeitslosengeld. Nur ohne Ausschlafen.«
Jetzt lachen sie beide und schauen sich an wie zwei Dackel, deren Herrchen das leckerste Leckerli in der Hand hält, das die Welt je gesehen hat.
Überrascht versuche ich, die Aufmerksamkeit endlichwieder auf die Hauptperson zu lenken, und stampfe wie King-Kong über das Parkett.
Mama und Papa sind jedoch so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie nichts von alldem bemerken, sondern vermutlich aus konspirativen Gründen im Schlafzimmer verschwinden. Ignorantes Pack, denke ich enttäuscht, und laufe wütend weiter. Der Boden erzittert unter meinen Füßen, und ich zermalme Keks-Reste, die heruntergefallenen Blätter unserer Yucca-Palme und das Babyphon.
Dann bin ich erschöpft und mache eine Pause.
Teddy ist stolz auf mich und liest mir zur Belohnung aus »Ich bin dann mal weg« von Hape Kerkeling vor.
Beeindruckend. Ein ganzes Buch übers Gehen. Ich markiere sofort für Mama und Papa die wichtigsten Seiten mit Apfelmus.
Man kann ja auch mal geben statt nehmen.
Ich muss sagen, eine tolle Buchidee. Hatte so was Ähnliches für den Weg von der Küche zum Wohnzimmer vor. Wenn man nicht gleich alles aufschreibt.
Denn auch ich denke viel Religiöses beim Laufen.
Wo komme ich her?
Küche.
Wo gehe ich hin?
Wohnzimmer.
Was passiert dazwischen?
Wischwasser auskippen, Wände bemalen, Blumenerde essen, Schränke ausräumen.
Stricknadeln in Steckdosen bringen kurzfristige Erleuchtung.
Warum das alles? Das weiß ich noch nicht und mache mich deshalb sofort auf die Suche nach einem höheren Plan.
Doch nun kommt endlich Mama aus dem Schlafzimmer,sichtlich
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