Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition)
erhitzt, sicherlich aufgrund des sommerlichen Wetters. Ich zeige auf die Tür und frage: »Da?«
Sie antwortet auch: »Da.« Wahrscheinlich ist sie Russin.
Erklärt ist damit leider nichts.
Sie streichelt mir über den Kopf und sagt überschwänglich:
»Hach, ist das schön, eine Familie zu sein, oder? Und in neun Monaten bist du nicht mehr alleine als Kind, liebe Mia, ist das nicht schön?«
Sie macht einen Luftsprung und verschwindet im Badezimmer.
Flüstere Teddy zu: »Pah, ›nicht mehr alleine‹. Jetzt kann ich sogar laufen und einige Wörter sagen, und trotzdem reicht ihnen das nicht.«
Teddy guckt mich an und hebt seine Augenbrauen.
Traurig überlege ich, was das neue Kind haben kann, was ich nicht habe.
»Zum Glück kann ich jetzt endlich laufen«, ergänze ich patzig, »weißt du was, ich hau ab. Dann können sie ja sehen, wie sie mit dem Neuen klarkommen, das wird sicher kein Zuckerschlecken, man denke nur an dieses ganze Gestille und Abgepumpe, und dann bin ich nicht da, um mit meiner Erfahrung das Baby zu informieren und zu beruhigen.«
»Mia, das ist doch keine Lösung«, lacht Teddy, »ein Geschwisterkind zu bekommen ist doch ganz normal und kann sehr schön sein.«
»Was soll daran denn schön sein?«, frage ich Teddy erbost.
»Zuerst einmal kannst du es vor Gudrun-Rudolf-Steiner Wiebkötter warnen«, witzelt er und dann: »nein, im Ernst, du kannst dem Zwerg eine ganze Menge beibringen und ihn beschützen, denn du bist ja jetzt schon groß.«
Das stimmt, denke ich, und lasse für einen Augenblick sogar ›Lack‹ los.
»Du kannst ihm zeigen, wie man spuckt, was man mitSchreien erreichen kann und wie man die Wohnung umgestaltet. Zu zweit könnt ihr da wahre Wunder vollbringen«, freut sich Teddy in Vorausahnung des kreativen Chaos, das sich in unserem gepflegten Reihenhäuschen einstellen wird.
»Außerdem werde ich dann nicht mehr da sein«, ergänzt er fröhlich, »und das Baby braucht ja jemanden zum Reden. Wer soll das sein, wenn nicht du?«
»Wie, du wirst dann nicht mehr da sein?« Ich kriege Panik. »Bist du schon alt? Musst du sterben? Hast du deinen Knopf verloren?«
»Nein«, sagt Teddy, »aber ich brauche ein Sabbatical. Ich bin jetzt schon sooo lange Teddy, da ist eine Auszeit mehr als angeraten. Ich werde nach Florida fliegen.«
»Ich komme mit, ich komme mit!«, rufe ich.
»Das geht nicht, Mia, das ist viel zu teuer. Ich kann mir das nur leisten, weil für Teddys der Flug quasi umsonst ist. Man muss sich nur mit auf das Gepäckband legen, und schwupps, ist man im Frachtraum gelandet.«
Ich staune mit offenem Mund.
»Ein Freund von mir hat das schon mal gemacht, und er hat erzählt, dass man zwischen Surfbrettern und Musikinstrumenten durchaus auch mal ein nettes Hündchen kennenlernen kann, mit dem man sich auf der langen Reise die Zeit vertreiben kann.«
Er schaut mich an und gibt mir ein Küsschen.
»Keine Angst, Mia, nach einem Jahr bin ich wieder da, und dann will ich sehen, wie du mit dem neuen Baby um die Wette läufst. Bestimmt wirst du immer gewinnen, denn ich glaube ganz fest an dich!«
Meine Miene hellt sich auf.
»Außerdem kannst du mit deinem Sören-Wotan und dem Baby dann Vater-Mutter-Kind spielen, sobald das Kleine da ist.«
Ich erröte und muss zugeben, dass das eine wunderbare Idee ist.
Inspiriert plane ich in Gedanken unser Einfamilienhaus mit Rollrasen und solarstrombetriebenem Elektrogrill, an dem Sören-Wotan uns Veggie-Würstchen brutzelt, um danach in der Hollywoodschaukel sitzend den Sternen beim Funkeln zuzuschauen, bevor uns das schreiende Baby wieder in die Realität zurückholt.
»Du lachst ja schon wieder«, freut sich Teddy, »na siehst du.«
»Ja, das ist eine wirklich gute Idee von dir. Sören-Wotan verdient als Bob der Baumeister dann eine ganze Stange Geld und geht in Elternzeit, während ich mich der Kunst widme.«
Teddy lacht und klopft mir auf die Schulter.
»So ist es recht, Mia«, ermuntert er mich liebevoll und widmet sich nun erleichtert dem Polieren seines Knopfes.
Nun bin ich wieder etwas versöhnt, doch bevor ich heirate, will ich erst mal die Welt erkunden. Zumindest möchte ich zum großen Ozean und gucken, ob Wale wirklich so aussehen, wie mein Fläschchen es verspricht. Auch die Pistolenkrebse möchte ich besuchen, so viel Freiheit muss sein, denn mir schwebt für meine nächste Vernissage ein Meeresbewohner-Triptychon vor.
Paul Gauguin musste schließlich auch nach Tahiti, um sich künstlerisch zu
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