Fuck
einmal einen Sorgerechtsstreit vom Zaun brechen oder so etwas?“ Katja bekam rote Flecken am Hals.
„Kann ich sie weiterhin sehen?“
„Simon, das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um das auszudiskutieren. Unterschreibe einfach die Papiere. Du willst doch auch frei sein. Dieser … dieser … Kerl von heute, der dir den Kopf verdreht hat, wie steht der denn dazu, dass du verheiratet bist?“
„Er weiß gar nicht … Moment! Das hast du mit Absicht gemacht!“, rief ich entrüstet, „Du hast dich mit Absicht als meine Frau vorgestellt, obwohl du dich scheiden lassen willst – damit du mich in die Enge treibst und ich sofort unterschreibe!“
„Sei leiser, Sophie schläft!“, fauchte Katja, „Erstens: Ich
bin
deine Frau, bis du das hier unterschrieben hast. Zweitens: Ich kann nichts dafür, wenn du zu deinen Liebhabern nicht ehrlich bist. Zufällig weiß ich sehr gut, wie sich das anfühlt. Also, unterschreibst du nun, oder soll es eine Schlacht werden?“
„Ich denke darüber nach“, schindete ich Zeit.
„Du denkst darüber nach? Du hattest fünf Jahre, darüber nachzudenken, verdammt.“
„Ich muss das meinen Rechtsanwalt prüfen lassen“, faselte ich.
„Mach dich nicht lächerlich, Simon.“
„Auf jeden Fall unterschreibe ich das jetzt nicht hier auf dem Autodach, ohne es gelesen zu haben. Die paar Tage wirst du wohl noch aushalten, oder?“
Sie knurrte sauer vor sich hin: „Lass dir nicht zu viel Zeit.“
„Warum auf einmal so dringend? Hast du jemanden?“, wollte ich wissen.
„Geht es dich was an?“, zischte sie.
„Wenn er Papa für meine Tochter spielt: ja, dann schon!“
Sie zuckte. Ich hatte getroffen. Ich hatte mit meiner Befürchtung recht gehabt. Mir wurde heiß und kalt. Mir war egal, mit wem Katja zusammen war, ich gönnte ihr das Glück, gar keine Frage. Sollte sie heiraten, sollte sie zehnmal heiraten wenn es sie glücklich machte. Aber Sophie sollte nur einen Vater haben, und zwar mich.
„Sophie mag ihn“, gab Katja zu.
Ich wollte mich setzen, aber nicht zu ihr ins Auto, nicht auf den Asphalt, also klammerte ich mich an Tür und Autodach fest.
„Ich bleibe ihr Vater“, bestand ich darauf, aber mir fehlte die Kraft, das mit Nachdruck zu sagen.
„Simon, du bist kein Vater, sondern ein Feigling. Du bist bestenfalls ein Samenspender und für Sophie so etwas wie ein entfernter Verwandter. Du wirst ihr Onkel sein. Den Umgang mit ihr kann ich dir wohl kaum verbieten, aber mach es ihr nicht schwerer als es ist. Denk an Sophie. Wenn sie dir wichtig ist, lässt du ihr eine intakte Familie. Halte dich raus aus unserem Leben.“
In meiner Speiseröhre brodelte die Säure hoch, meine Gelenke wurden schwach und in meinem Kopf begann es zu dröhnen. Ich ließ das Autodach los, schlug die Tür zu und machte einen Schritt zurück. In meiner Hand brannte der Umschlag, versengte meine Handflächen. Katja funkelte mich wild an, zeigte auf das Kuvert und startete den Wagen.
Ich stand noch da als die Rücklichter vor Minuten verschwunden waren. Ich konnte mich nicht bewegen. Keinen Schritt vorwärts, keinen zurück. Ich wünschte, auf der Stelle tot umzufallen. Mir war danach zu weinen, aber ich konnte nicht. Ich fühlte nichts. Mir war, als habe man mich innerlich abgeschaltet. So – vermutlich – fühlte sich ein Roboter.
Schließlich schlurfte ich doch los, warf das Kuvert in den erstbesten Mülleimer und lief endlos über die Wanderwege, die den Tierpark auf den kleinen Berg mitten in der Stadt umgaben. Ich wollte nachdenken, einen klaren Kopf bekommen, aber es herrschte nur Chaos, jeder konstruktive Gedanke flutschte weg.
Katja hatte recht. Ich war ein Feigling. Immer schon gewesen und heute nicht weniger als damals. Meine Feigheit hatte mir vielleicht Sophie beschert, sie mir allerdings auch wieder genommen. Ich war zu feige gewesen, mit offenen Karten zu spielen.
Erst bei meinen Eltern, dann bei Katja, später bei meinen beiden Ex-Freunden und nun … Leo.
Ich war zu feige gewesen Schritte zu unternehmen, als ich mich in Leo verliebt hatte. Irgendwie hatten, wenn auch indirekt, Fuck und mein bekiffter Kollege die Sache ins Laufen gebracht.
Leo hatte die ersten Schritte in Angriff genommen, darauf bestanden, uns besser kennenzulernen. Selbst mein Kuss war feige gewesen, und als er mich richtig küsste hatte ich einfach so lange abgewartet, bis ich hundertprozentig sicher sein konnte, ehe ich ihn erwiderte. Ich hatte mich sogar für meinen Kuss entschuldigt,
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