Führe mich nicht in Versuchung
Gift versprüht hatte.
Damien fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Stellst du dich jetzt mit Absicht dümmer als du bist? Jede Geste der Zuneigung zwischen dir und Max wird unverzüglich derart gedeutet werden, dass er dir den Hof macht. Oder man vermutet sogar noch Schlimmeres.«
»Hast du das bereits mit Max besprochen?« Sie bemerkte, dass Damien unruhig wurde. Wie sein Blick über sie hinwegglitt und sich sein Mund ungeduldig zusammenpresste.
»Ja.«
»Ich darf wohl davon ausgehen, dass er deine Ansicht teilt?« Jedes Wort, das sie äußerte, schien ihr die Kehle zu verbrennen.
»Das tut er ... Jillie -«
»Natürlich tut er das.« Sie schnitt ihm das Wort ab, denn sie wollte nichts mehr davon hören. Sie musste akzeptieren lernen , was sie die ganze Woche über zu ignorieren versucht hatte.
Sowohl Damien als auch Max fanden die Vorstellung einer Verbindung zwischen ihr und Max derart absurd, ja geradezu peinlich. »Es war sehr freundlich von Max, dass er mir die Demütigung erspart hat, mir dies selbst auseinanderzusetzen.« Sie zwang sich zu einem Lächeln und bemühte sich, ihrer Stimme einen leichten Tonfall zu verleihen.
Damien grinste sie erleichtert an. »Gott sei Dank verstehst du es.« Sein Gesichtsausdruck wurde noch einmal ernst. »Jillie, du bist meine Schwester, und er ist mein bester Freund. Ich möchte nicht, dass wegen Eurer Beziehung irgendwelche Augenbrauen in die Höhe gezogen werden. Ich bitte dich also darum, in der Öffentlichkeit vorsichtig zu sein.«
Jillian nickte. Sie verstand nur zu gut. Weder die Tiefe ihrer Freundschaft zu Max noch die neuen, überwältigenden Gefühle, die sie für ihn empfand, durften enthüllt werden. Es stand zu viel auf dem Spiel. Und Damien wusste das. Ebenso Max. Und sie wusste es nun auch. Ihre Emotionen mussten geopfert werden, um die Empfindlichkeit einer oberflächlichen Gesellschaft nicht zu verletzen.
Wollte sie dies wirklich zulassen?
Es klopfte leicht an der Tür des Ballsaales. »Eure Hoheit, die Musiker sind eingetroffen.«
»Wurde meine Tante bereits informiert?«
»Jawohl, das wurde sie«, sagte LadyLou und eilte in den Raum, gefolgt von einer Gruppe von Männern, die alle Instrumentenkästen in verschiedenen Formen und Größen trugen.
Jillian beobachtete geistesabwesend, wie die Mitglieder des Orchesters ihre Plätze einnahmen. Sie blickte zur Laube hinüber und rief sich die Worte ihres Bruders noch einmal in Erinnerung. Mit bittersüßem Bedauern akzeptierte sie, dass jetzt der Zeitpunkt war, wo das Gestern endete und das Heute begann. Die Vergangenheit war fortan etwas, das man für sich bewahrte, wie eine geliebte Geschichte über Leute, die in einer Zeit gelebt hatten, die es nicht mehr gab.
Und die Geschichte war nun zu Ende. Damien und Max waren allerdings diejenigen, die sich noch weigerten, das Kapitel über Jillians Kindheit zu schließen.
Sie aber hatte die feste Absicht, ein neues zu beginnen.
Jillian stand in der Empfangsreihe und hatte das Gefühl, als wäre ihr Lächeln auf dem Gesicht festgefroren. Sie nickte anmutig, obwohl sie sich insgeheim krümmte, als sie feststellte, dass sich jeder Mann über ihre Hand beugte und zuerst ihre Juwelen und dann ihren Körper abschätzend betrachtete. Selbst die Frauen schienen Jillians Wert festzusetzen, bevor sie ihre forschenden Blicke auf Damien richteten.
Der Butler, der die Gäste ankündigte, leierte einen Namen nach dem anderen herunter. Jedes Mal wuchs Jillians Hoffnung aufs neue, um dann einer immer größer werdenden Enttäuschung zu weichen, denn Max ließ weiter auf sich warten.
»Ich kann nicht verstehen, warum Max immer noch nicht eingetroffen ist«, flüsterte ihr Damien ins Ohr.
»Vielleicht hat er beschlossen, dass es das beste ist, überhaupt nicht zu kommen«, erwiderte sie und starrte weiterhin geradeaus. Ihr Gesicht schmerzte bereits von dem vielen Lächeln, aber sie schien außerstande, es von ihrem Gesicht zu löschen.
»Es muss etwas geschehen sein, Jillie«, widersprach Damien. »Gerade heute abend würde er sich um keinen Preis absichtlich verspäten.«
Jillian nickte. Sie war nicht in der Lage, eine Antwort zu geben, denn der Schmerz in ihrer Kehle war beinahe unerträglich. Ihr Herz nahm dankbar Damiens beruhigende Worte auf. Max hatte noch niemals ein wichtiges Ereignis in ihrem Leben versäumt, mahnte sie sich, wie konnte sie auch nur einen einzigen Augenblick daran zweifeln, dass er ihren Debütantinnenball versäumen würde?
Der Butler
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