Führe mich nicht in Versuchung
waren - fast zu klein für die Perlenohrringe, die sie trug. Und er hatte auch nie bemerkt, wie lang und anmutig geschwungen ihr Hals war - wenn auch nicht lang genug für die fünfreihige Perlenkette, die sie angelegt hatte. Aber während er sie in ihrem eleganten Seidenkleid betrachtete, sagte er sich, dass er immer noch das kleine Mädchen vor sich hatte, das >verkleiden< spielte, und dass die plötzliche Hitze, die er in seinem Körper verspürte, auf die Wärme im Raum zurückzuführen war.
»Hoheit«, sagte sie, und diese Begrüßung erfüllte ihn plötzlich mit einem unerklärlichen Gefühl der Trauer. War es das, was sie in ihm sah? Nur ein Adliger unter vielen? War er nicht länger Max für sie? Viel wichtiger - wo war seine Pandora?
Alles, was er sah, war Lady Jillian Forbes.
»Soweit ich weiß, ist es üblich, dass die Damen und nicht die Herren einen großen Auftritt haben, Max«, sagte Damien. »War das Absicht oder wurdest du aufgehalten?«
»Aufgehalten«, erwiderte Max. »An meiner Kutsche ist eine Achse gebrochen.«
»Das hatte ich mir schon gedacht«, sagte Damien. »Jillian hatte dich allerdings schon aufgegeben.«
Das war ein weiterer Schock für ihn, und er wartete stumm, dass sie diese Behauptung ihres Bruders widerlegen oder irgendeinen Kommentar abgeben würde, um ihn aufzuziehen. Um der Bemerkung die Spitze zu nehmen. Er schaute Jillian an und suchte in ihren Augen nach dem schelmischen Zwinkern, das ihm so vertraut war. Stattdessen bedachte sie ihn mit einem ernsten Blick.
»Hattest du das wirklich, Pandora?« fragte er schließlich. »Es sieht dir gar nicht ähnlich, so schnell aufzugeben.«
»Ich habe lediglich deine Abwesenheit am heutigen Abend akzeptiert, Max. Einen weiteren Verstoß gegen den guten Ton hätte ich von dir nicht toleriert.«
Er lachte erleichtert, und Damien stimmte mit ein. Seine Pandora war also doch noch da.
»Wenn die >Majestäten< einmal die Güte hätten, sich umzuschauen, so würden sie feststellen, dass momentan ungefähr dreihundert Augenpaare auf uns gerichtet sind. Wir sollten von nun an besser die Anstandsformen wahren.«
»Verdammt«, murmelte Damien.
Max hörte auf zu lachen, aber er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Jetzt war ihm alles klar. Damien hatte mit ihr gesprochen und die Warnungen wiederholt, die er Max vor einer Woche gegeben hatte. Welch eine Ironie, dass Jillian darauf achtgab, während Damien und er alles verpatzten! Und natürlich sah es Jillian ähnlich, dass sie es ihnen unter die Nase rieb.
Max ergriff ihre Hand, verbeugte sich, deutete einen Handkuss an und betrachtete sie mit gespielter Ernsthaftigkeit.
Jillian nickte, knickste kurz.
»Darf ich um diesen Tanz bitten, Hoheit?« fragte sie mit so leiser Stimme, dass Max sie kaum verstand.
»Du vergisst dich, Jillian«, sagte Damien freundlich aus dem Mundwinkel heraus. »Gewöhnlich bittet der Gentleman die Dame um den Tanz.«
»Schon gut, Damien. Solange sie sich nur bei mir vergisst«, erwiderte Max und runzelte die Stirn, während sein Blick zwischen Damien und Jillian hin und her wanderte. Damien schien über seine Bemerkung nicht beunruhigt, und -auch Jillians Gesichtsausdruck deutete nicht darauf hin, dass sie eine möglichere tiefere Bedeutung hinter seinen Worten vermutete. Es wäre ihm lieber gewesen, eine Reaktion von ihnen zu erhalten. Das hätte bedeutet, dass er nicht irgendwelchen Hirngespinsten nachlief und eine Befangenheit empfand, die keinen Platz
ihrer Freundschaft haben sollte.
Max schüttelte sein Unbehagen ab und bot ihr seinen Arm. Jillian legte ihre Hand leicht auf seinen Unterarm. Als sie auf die Laube zuschritten, wandten sich die Gäste wieder ihren Unterhaltungen zu.
Das Orchester stimmte einen Walzer an, und Jillian glitt in Maxens Arme.
Sie tanzten schweigend, aber die Empfindungen seines Körpers sagten mehr als tausend Worte. Er spürte ihre Haut unter der Seide auf ihrer Taille, er spürte das Gewicht ihrer Hand auf seiner Schulter, er atmete den leichten Jasmingeruch ein, der von ihr ausging, während sie zur Musik herumwirbelten und über die Tanzfläche glitten.
Er hatte sie schon so oft berührt, aber dabei immer nur hagere Knochen und kaum zu bändigende Energie bemerkt. Nun lag all dies unter einer ungewohnten Weichheit, war von einer betörenden Anmut abgelöst worden. Sie hatten nie Schwierigkeiten gehabt, ein Thema zu finden, über das sie sich unterhalten konnten, aber nun fiel ihm nichts ein, was er hätte sagen
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