Führe mich nicht in Versuchung
Mann - besonders für einen Mann, der daran gewöhnt ist, allein zu sein.«
Allein. Jillian schloss ihre Augen und konzentrierte sich auf ihre Gedanken, die offenbar endlich eine gewisse Ordnung angenommen hatten. Max wußte viel mehr über ihr Leben als sie über das seine. Seit sie nach London gekommen war, hatte sie immer und immer wieder miterlebt, wie er sich zurückzog, sobald sie ihm näher kam.
Es war ihr bisher noch nie in den Sinn gekommen, dass er es bewußt vorzog, allein zu bleiben. Und nun hatte sie ihm diese Möglichkeit genommen.
»Jillie«, sagte LadyLou, als ahnte sie, welche Pfade Jillians Gedanken eingeschlagen hatten. »Die meisten Ehen werden auf weniger als auf solch einer Freundschaft gegründet, wie sie dich mit Max verbindet.«
»Wir waren einmal Freunde. Jetzt weiß ich nicht mehr, was wir sind.«
»Ihr seid verlobt«, sagte Damien, der gerade ins Zimmer trat. »Die Hochzeit wird in sechs Wochen in der Westminster Abbey stattfinden.«
Westminster. Die Kathedrale, in der sich die feine Gesellschaft versammelt hatte, um den Majestäten die letzte Ehre zu erweisen. »Nein«, sagte sie mit fester Stimme und hob den Kopf, um ihren Bruder anzublicken. »Nein«, wiederholte sie, »ich will in der Kapelle von Westbrook Court getraut werden.«
»Sie ist zu klein, Jillie«, erwiderte Damien kurz. »Ich habe bereits Anweisungen gegeben, fünfhundert Einladungen beim Graveur zu bestellen.«
»Warum? Damit wir fünfhundert Absagen sammeln können?« erwiderte sie. »Ich bin bereit, für den Rest der Saison zur Unterhaltung dieser Leute beizutragen, wenn es sein muss. Ich werde lächeln und tanzen und mit dem Fächer wedeln, um die Familienehre zu retten, falls du es wünscht. Aber Max und ich werden daheim heiraten.« Wo alles begann, fügte sie im stillen hinzu. Daheim .. . wo sie in Max vielleicht den Wunsch wecken konnte, nicht mehr allein sein zu wollen ... wo sie und Max möglicherweise wieder neu beginnen konnten.
Kapitel 20
Das Stück war geschrieben, die Rollen waren besetzt und die Bühne war bereit.
Max stand zusammen mit Jillian, Damien und LadyLou im Vorraum und wartete auf den richtigen Moment, um ihre Ankunft durch den Butler verkünden zu lassen. Auf der anderen Seite der Türschwelle, die zum Ballsaal der Garwoods führte, war ein beständiges, vertrautes Gesumme zu hören. Im Gegensatz dazu lag das Foyer verlassen und still da. Max hatte es so geplant. Wenn sie die Gesellschaft verblüffen wollten, dann sollten sie seiner Ansicht nach mit einem überwältigenden Auftritt beginnen.
Jillian würde dies schon mit ihrer subtilen Missachtung der Kleiderordnung bewerkstelligen. Obwohl ihr Kleid in dem erforderlichen Pastell gehalten war, trug es einen lebendigeren Farbton als die bleichen Farben der anderen Debütantinnen. Der himmelblaue Stoff bestand zwar aus leichter Seide, begann aber zu schillern, wenn das Licht auf ihn fiel. Und obwohl sie für gewöhnlich so wenig Schmuck wie eben möglich trug, hatte sie heute Hals und Ohren und Handgelenke mit dem Saphirschmuck ihrer Mutter bedeckt.
Sie sah atemberaubend aus.
Sie stand mit einem ernsten Gesichtsausdruck vor Max, der ihre rosigen Wangen und das Strahlen ihrer Augen Lügen strafte.
Verdammt. Selbst nach all den Warnungen, die Damien und er ausgesprochen hatten, wollte sie immer noch nicht einsehen, worauf sie sich da eingelassen hatte.
»Darf ich Eure Hoheit nun anmelden?« erkundigte sich der Butler.
Max nickte und bot LadyLou seinen Arm an.
»Wartet«, sagte LadyLou, griff nach Jillians Arm, zog sie nach vorne und legte ihre Hand auf Maxens Arm. Dann trat sie zurück, um sie zu betrachten und wies Damien an, an Jillians andere Seite zu treten. »Na also. Viel besser.« Sie schüttelte den Kopf, als Damien den Mund öffnete, um zu protestieren. »Wenn jemals die Notwendigkeit bestand, dass ihr drei eine Einheit bildet, dann heute. jeder noch so kleine Hinweis auf Unstimmigkeiten zwischen den Familien würde als Bestätigung für den kursierenden Klatsch gewertet.«
»Sie hat recht, Damien«, stimmte ihr Max zu.
Damien machte den Eindruck, als habe er etwas Bitteres verschluckt, atmete einmal tief ein und legte die Hand seiner Schwester dann in seine Armbeuge.
»Lasst uns nun mit der Vorstellung beginnen«, sagte Max trocken und blickte Damien über Jillians Kopf hinweg an..
»Es ist noch nicht zu spät, Jillie«, sagte Damien. »Du kannst in aller Stille heiraten. Mit der Zeit werden sie alles vergessen
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