Fuehrungs-Spiel
Rangnick, den ich bisher nur oberflächlich kannte, kam schnell auf den Punkt: »Wenn ich wieder als Trainer arbeiten werde, möchte ich viele Dinge anders angehen. Könnten Sie sich vorstellen, mich da als Ideengeber und Gesprächspartner zu unterstützen?« Da war ich platt! Und gut hat es natürlich auch getan, dass einer der intelligentesten und profiliertesten Bundesligatrainer mich offenbar für geeignet hielt, ihm zu helfen. Ich hatte wieder Feuer gefangen. Zunächst aber galt alle Konzentration der Hockey-WM.
Ich hatte Rangnicks Arbeit, vor allem in Hannover und bei Schalke, verfolgt, er schien mir sympathisch, seine Philosophie interessant. Ich hatte mitbekommen, dass, nachdem er im Sportstudio an einer Taktiktafel Spielsysteme erläutert hatte, die Boulevardmedien ihn als »Fußball-Professor« verspottet hatten, dieselben Blätter, die mich als »Hockeytrainer« zum Totengräber des Deutschen Fußballs machen wollten, als es um den Sportdirektorenposten ging. »Klinsis Hockeytrainer« und der »Fußball-Professor« in einem Team – der Gedanke gefiel mir. Im Frühjahr verabredeten wir uns am Frankfurter Flughafen. Wir diskutierten erst allgemein über unsere Erfahrungen in der Trainerarbeit, später analysierten wir schon sehr differenziert die verschiedenen Leistungsbereiche, die zusammen die Qualität eines Teams ausmachten. Ich fühlte mich an meine ersten Gespräche mit Jürgen erinnert. Und wie damals mit Jürgen mailten wir uns ab diesem Moment regelmäßig, tauschten SMS aus und telefonierten immer häufiger. Die mögliche Rollenaufteilung zwischen ihm als Trainer und mir als Sportdirektor konkretisierte sich.
Rangnick bekam in diesem Zeitraum zahlreiche interessante Angebote aus dem In- und Ausland, er war sehr gefragt. Und dann erlebte ich bei diesem manchmal zunächst zurückhaltenden Mann etwas, was mein Bild von der schnelllebigen Fußballbranche nachhaltig veränderte: Jedes Mal, wenn Rangnick gefragt wurde, ob er ein Team als Coach übernehmen wolle, sagte er seinen Verhandlungspartnern, dass er nur weiterverhandeln wolle, wenn es um eine Doppellösung mit mir als Sportdirektor ginge. Das hat mir sehr imponiert, ich wusste: Der Mann hat Charakter.
Inzwischen hatte auch der SAP-Gründer Dietmar Hopp bei Ralf Rangnick angefragt, ob er sich vorstellen könne, in der kommenden Saison bei 1899 Hoffenheim zu arbeiten. In der Regionalliga Süd. Ralf und ich sprachen über diese Idee, aber Rangnick erklärte sowohl Hopp als auch mir, dass er sich dies nicht vorstellen könne. So ganz sicher schien er angesichts der möglichen Perspektiven jedoch nicht zu sein: »Wir sollten den Kontakt zur Herrn Hopp nicht ganz abreißen lassen«, teilte er mir mit einem Lächeln mit. Hopps Ideen jedenfalls konnten einen ehrgeizigen, konzeptionellen Mann wie Rangnick nicht kaltlassen: Ein hochmodernes Stadion wolle er bauen, erklärte er uns, dazu ein Profiteam formen, das in dieser Arena attraktiven Fußball spielen möge, am besten in der Bundesliga. Diese Aufgabe, wiederholte Hopp bei nächster Gelegenheit, wolle er ihm, Rangnick, und auch mir übertragen. Rangnick berichtete mir, er habe den Eindruck, hier ginge es einem Menschen um sein Lebenswerk. Und in der Tat: Hopp hatte in Hoffenheim als Jugendlicher selbst Fußball gespielt und inzwischen ein großartiges Nachwuchskonzept für seinen Verein entwickelt.
An einem Samstagmorgen Ende Mai 2006 saß ich an meinem Schreibtisch in Krefeld, als mein Handy erneut klingelte, am anderen Ende der Leitung meldete sich diesmal eine weiche, aber ziemlich entschieden klingende Stimme: »Hier spricht Hopp, Sie werden mich nicht kennen, ich kenne Sie aber. Wir sprechen gerade sehr intensiv mit Ralf Rangnick, er ist nicht abgeneigt, zu uns nach Hoffenheim zu kommen. Wenn Sie sich vorstellen können, hier in unserem Team mitzuarbeiten, dann können wir uns nächste Woche treffen. Ich lasse Sie abholen.« Erst später ist mir klar geworden, dass ich hier das erste Mal in meinem Leben mit einem Unternehmer von Weltrang persönlich zu tun hatte. Einer echten Führungspersönlichkeit, die nicht lange um den heißen Brei herumredet, sondern direkt auf den Punkt kommt, und zwar auf einen Punkt, den sie selbst setzt. In dem Moment, als wir telefonierten, blieb mir allerdings nichts , als zu entgegnen: »Herr Hopp, ich fühle mich geehrt, wir können uns gerne tref fen, aber in der nächsten Woche habe ich einen Lehrgang mit meinem Hockey t eam. Es ist mir unmöglich zu
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