Fuehrungs-Spiel
traf Jürgen also abermals Theo Zwanziger und erklärte dem Präsidenten, dass Oliver Bierhoff, Jogi, Köpke und er mich den Gremien des DFB als Sportdirektor vorschlagen wollten. Später stieß auch ich zu der Runde, und wir fuhren gemeinsam mit Jogi, dem Präsidenten und Jürgen nach Mönchengladbach zum Spiel Borussia gegen Bayern. Auf dem Rückweg, Theo Zwanziger fuhr nicht mit uns im Auto, war die Stimmung ausgelassen, jedenfalls für Jürgens Verhältnisse. Die Sache schien endgültig geklärt.
Wir verabredeten uns zum Abendessen und für den nächsten Tag wieder im Interconti in Düsseldorf. In Jürgens Hotelzimmer schauten wir noch den Rest der Sportschau . Später sprachen wir bei Wiener Schnitzel über eine sportliche Gesamtstruktur für alle DFB-Teams. Am nächsten Morgen trafen sich Trainerstab und Mannschaft zu Leistungstests. Klinsmann hatte, wie meistens, eine gute Nase für Entwicklungen in der Presse, er ahnte, dass die Gerüchte meine Person betreffend bald zu ersten Schlagzeilen führen würden: »Das ist nicht mehr länger geheim zu halten, da müssen wir jetzt aktiv werden, sonst können wir nur reagieren!«, erklärte er mir. Wie recht er hatte! Kaum hatte er zu Ende gesprochen, waren die ersten Journalisten auf meiner Handy-Mailbox. Einstweilen ließen sie sich noch abwimmeln.
Alles musste schnell gehen. Klar war: Ein Hotel wäre für ein Treffen dieser Art nicht der geeignete Ort, deshalb verabredeten wir uns im siebten Stock der Privatbank » HSBC Trink - aus«. Es war die bewährte Runde: neben Jürgen noch Oliver Bierhoff, Jogi und Köpke. Wir wollten eigentlich über Inhalte sprechen, aber ich spürte gleich, dass irgendetwas nicht rund lief. Es gab noch einen Kandidaten für den Posten des Sportdirektors, den früheren Trainer von Borussia Dortmund, Matthias Sammer. Noch bevor ich meine Themen anschneiden konnte, ergriff Oliver Bierhoff das Wort: »Die wollen jetzt noch mal Matthias Sammer anhören!« Jürgen war sofort auf hundertachtzig: »Nein! Die Sache ist entschieden.« Er lief dabei wie ein aggressiver Tiger im Käfig an der riesigen Glasfront des Raumes entlang. Doch Bierhoff, Manager, der er war, verwies auf die Fakten: »Zwanziger und Generalsekretär Horst R. Schmidt wollen uns morgen sprechen, uns alle, um 14 Uhr in Frankfurt!« Von Zwanziger und Schmidt in die DFB-Zentrale bestellt zu werden – das war für Jürgen eine echte Herausforderung.
Ich fuhr am nächsten Tag mit dem Zug nach Frankfurt, wurde über den Nebeneingang in die DFB-Zentrale geschleust, die Bild -Fotografen lauerten am Vordereingang. Bei Kaffee und Kuchen saßen wir mit Jürgens Trainerstab den DFB-Verantwortlichen Horst R. Schmidt und Theo Zwanziger in der Bibliothek gegenüber. Zwanziger, der als Politiker uns gegenüber einen gewissen Erfahrungsvorsprung beim diplomatischen Überbringen schlechter Nachrichten hatte, versuchte es zunächst auf die verbindliche Art: »Herr Sammer hat uns in einer leidenschaftlichen Vorstellung auch sein großes Interesse signalisiert und will noch mal ein Gespräch.« Doch Jürgen blieb ungerührt. Seine Augen verengten sich. Mühsam gelang es ihm, die Contenance zu wahren und Zwanzigers Vorschlag nicht vor aller Augen in die Tonne zu treten : »Er braucht sich nicht mehr vorstellen, wir haben ganz klar gesagt, dass wir es mit Matthias nicht machen werden. Es wird zwischen mir und Matthias keine Zusammenarbeit geben!« So gingen wir auseinander.
Ich konnte die Lage nicht wirklich einschätzen, aber eines war klar: Der Widerstand gegen mich als Sportdirektor war offenbar groß. Was folgte, war so etwas wie eine »unkontrollierte Offensive«. Bei einem seit Langem anberaumten Hintergrundgespräch für die wichtigsten Fußballjournalisten erläuterten Jürgen und Oliver Bierhoff, warum sie glaubten, in mir den richtigen Mann für diese Position gefunden zu haben. Diese Ankündigung verfehlte ihre Wirkung nicht: Das DFB-Präsidium geriet unter enormen Zugzwang, musste, wollte es mich noch verhindern, sofort reagieren. Die Medien erkannten schnell den grundsätzlichen Charakter dieser Vor wärtsstrategie: Hier ging es zwar auch um die Frage, wer DFB- Sportdirektor werden sollte, vor allem aber ging es um ein neues Kapitel des unterhaltsamen und schlagzeilenträchtigen Machtkampfes »Klinsmann gegen DFB«. Jedenfalls herrschte große Aufregung, und auch bei mir standen die Telefone nicht mehr still.
Ich aber schwieg eisern, wollte die offizielle Entscheidung durch das
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