Fuehrungs-Spiel
nicht fröhlich sein zu müssen. Alles war Hockey, Übungen, Video, Kohlenhydrate, dynamische Ballannahme, Analyse, verbessern, optimieren. Und wenn es einmal gar nicht anders ging, entstand ein leicht verzerrtes Grinsen in seinem Gesicht, ein bisschen wie das des säuerlichen Jokers von Batman. Aufgesetzt. Dieses Grinsen entwickelte sich in der Mannschaft weiter. Manche Spieler konnten es irgend wann genauso gut wie Bernhard, da hatte der allerdings schon längst das erste Mal wirklich gelacht. Und zwar über mich.
Das war 1993. Bernhard war gerade mit der U21-Mann schaft Weltmeister geworden. Selbst die Weltmeister waren mit seinem wenig zugänglichen Führungsstil nicht immer glücklich gewesen. Bei einer Besprechung sprach er nun zu 16 ehrfürchtigen Jugendspielern, das Du zwischen Trainer und Spielern war zu der Zeit schon Standard. Der große Peters: »Und dann müsst ihr … hep p , he p p, he p p muss der Ball laufen.« Pause. Der kleine Crone: »Ich dachte, das heißt immer ›zack, zack, zack‹ bei dir und nicht ›hep p , hep p , hep p ‹?« Stille. Bernhards Blick hebt sich. Seine Augen gucken böse. Er denkt: Jetzt muss ich ärgerlich sein. Ich denke: Gleich wird er ärgerlich sein und ich nie wieder für Deutschland spielen. Doch dann: ein Lachen! Zwar noch etwas unbeholfen, aber eindeutig kein Grinsen, sondern ein Lachen. Ich behaupte, dass das sein erster Schritt in die kommunikatorische Zivilisation war. Noch voller Dankbarkeit macht mich Bernhard zum Kapitän der U21 bei der WM 1997.
Siegesgewohnt verloren wir das Halbfinale. Bernhard veränderte sich durch diese Erfahrung. Ich verließ nach der WM die U21, spielte seitdem in der A-Nationalmannschaft und konnte die Peter ’ sche Metamorphose also nicht hautnah erleben. Aber als ich ihn 2001 bei seinem Antritt als Herren-Coach in Indien wieder erlebte, war er ein anderer. Aus einem akribischen, notorisch nörgeligen Experten war ein selbstkritischer offener Trainer mit einem ersten Schuss Lockerheit geworden. Er hatte sein taktisches Spielkonzept perfektioniert. Das gab ihm Sicherheit im Fachlichen und auch im Umgang mit den Spielern, und die gab er an uns weiter. Da stand plötzlich ein Trainer auf dem Platz, der für jede noch so knifflige und ausweglose Spielsituation eine Lösung zu haben schien. Jedes Problem, das während eines Spiels auftreten kann, hatte er im Kopf schon durchgespielt. Und dann führte der Trainer auch noch einen Spielerrat ein. Mitbestimmung? Eigentlich logisch, dass er bei uns Rat suchte, denn manche hatten schon zehn Jahre Erfahrung in der A-Nationalmannschaft – er hatte eine ganze Menge, aber eben noch keine als verantwortlicher Cheftrainer. Statt Monarchie wie bei seinem Bundestrainer-Vorgänger nun also Demokratie? Na, ein bisschen. Aber er hatte letztlich doch immer die absolute Mehrheit.
Hinzu kam eine neue Mannschaftsaufstellung. Bernhard sagte mir vor dem Flug nach Delhi, dass ich auf der Position des Innenverteidigers spielen werde. Das hatte ich bis dahin noch nie gespielt, von nun an immer. Es war die ideale Position für mich, er hatte meine Fähigkeiten klar erkannt. Alles in allem war Indien im Frühjahr 2001, war Bernhards Amtsantritt als Bundestrainer für die Mannschaft wie ein Kulturschock, ein interner – und folgenreicher. Vor lauter mentaler Sicher- und Überlegenheit spielten wir ein Jahr lang alle Gegner an die Wand. Erst während der WM 2002 in Malaysia verloren wir wieder ein wichtiges Match, das Gruppenspiel gegen Spanien. Aber Bernhard hatte uns zusammen mit dem Sportpsychologen Lothar Linz selbst darauf vorbereitet, im Vorfeld alle Szenarien durchgespielt. Wir sind sogar einmal in der Vorbereitung um fünf Uhr morgens aufgestanden, nur um den Ablauf für ein frühes Gruppenspiel bei der WM um acht Uhr zu üben.
Dann die letzte Besprechung vor dem WM-Finale: Was würde Bernhard sagen? Er sprach kurz zur Einleitung, dann plötzlich schwieg er. Weil nämlich Co-Trainer Markus Weise die Besprechung leitete. Das hatte er vorher noch nie gemacht. Wir waren alle verblüfft – und hörten umso aufmerksamer zu. Er, der alles unter seiner Kontrolle haben wollte, gab sie vor seinem bisher wichtigsten Spiel aus der Hand: natürlich nicht einfach so, sondern ganz bewusst und geplant. Trotzdem war das mutig – und wurde belohnt. Markus hielt eine fünfminütige Motivationsrede, danach war das Team so heiß wie noch nie. Bernhard hatte das geahnt und seinen kurzfristigen Rückzug bewusst eingesetzt.
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