Fuehrungs-Spiel
Wirkung, denn ich wusste, dass sich hier jede Frage an die Kollegen, ob sie ähnliche Botschaften erhalten hatten, erübrigen würde.
Bernhards Drang, Neues zu erproben, zeigte sich in allen Bereichen, er ließ sich sogar dazu hinreißen zu »skypen«. Diese Form des Internet-Chattens kam gerade auf, und er nutzte sie sofort, um die Spieler nun auch auf diesem Weg – neben Brief, Telefon und SMS – an ihre Trainingspläne zu erinnern und immer wieder neu zu motivieren. Und das bei seiner chronischen Technikschwäche. Auf diese ist auch sein Spitzname »Eters« zurückzuführen. Denn dieses »Eters« bekam jeder zu hören, der ihn auf dem Handy anrief. Bernhard sprach einfach schon seinen Namen, noch während er auf die Annahmetaste drückte. Er hörte ungeduldig ein paar Sekunden zu, erinnerte einen dann in Stakkato-Sätzen an aktuelle Trainingspläne, endete mit einem »Hau rein!« und hatte schon aufgelegt, bevor man sich verabschieden konnte. Er freute sich über seinen neuen Namen, zu diesem Zeitpunkt konnte er schon längst genüsslich über sich selbst lachen.
Der Mut zu Neuem zahlte sich schließlich aus – bei der WM 2006 in Gladbach. Bernhard gab noch einmal alles, sprang sogar einmal über seinen Schatten, beim Alkohol. Er und Bernhard waren keine Freunde, die Mannschaft dagegen manchmal umso mehr. Dabei hat er doch so viel gelernt in seiner Zeit als Trainer. Nur beim Bier nicht. Er hat – ich glaube bis heute – nicht begriffen, wie wichtig Alkohol, Fett und Zucker für eine Mannschaft sind. Denn nichts schweißt ein Team so eng zusammen wie eine durchzechte Nacht. Da spricht nach drei Bier der gerade neu zum Team gestoßene Schüler mit dem langjährigen Nationalspieler und inzwischen bereits erfolgreichen Immobilienmakler über seinen Liebeskummer und der fertige Arzt mit dem Zivi über Berufsaussichten. Und wenn wir dann das Abschlusstraining am nächsten Morgen zusammen überstanden hatten, alle mit grünlichen Gesichtern, dann konnte der nächste Gegner heißen, wie er wollte. Er hatte keine Chance. Irgendwann hat Bernhard diese so verbindenden Gelage stillschweigend akzeptiert und ignoriert, aber nie wirklich goutiert.
Und, wie immer, aus seiner Einstellung keinen Hehl gemacht: Als ich bei einem Flug neben Bernhard saß und in den Plastikbecher voller Tee eineinhalb Tütchen Zucker schüt tete, guckte er mich an, als ob ich seine Familie beleidigt hätte, drückte kopfschüttelnd eine Süßstoffpille in seinen Tee und begann mich kalorientechnisch aufzuklären. So war es für die ganze Mannschaft der ganz und gar unerwartete Höhepunkt einer WM-Vorbereitungswoche, als Bernhard uns nach einer Paddeltour am Ufer mit einem Kasten Pils empfing. Pils! Wir haben es ihm hoch angerechnet, auch wenn das Bier lauwarm war. Er kennt sich mit dem Thema ja nicht so gut aus.
Allerdings gab es vor der WM auch Missstimmung, Bernhard telefonierte oft mehrmals während eines Trainings. Parallel zur WM-Vorbereitung plante er schon sein Engagement als Sportdirektor in Hoffenheim. Das kam nicht gut an, nervte. Nach einer Sitzung mit den Führungsspielern hat er beim Training dann sein Handy ausgemacht.
Manchmal haben wir vom Fußball gesprochen, gerade bei den Lehrgängen musste er wohl die ganzen neuen Perspektiven und Eindrücke auch loswerden. Und zu diesem Zeitpunkt ging unser Verhältnis schon weit über das an sich schon hohe Niveau einer typischen Peters-Spieler-Beziehung hinaus. Immer interessierte ihn auch die private und berufliche Situation seiner Spieler, versuchte er auch da, in schwierigen Situationen zu helfen. Ob aus wahrem Interesse oder in dem Wissen, dass alle Lebensbereiche auf die sportliche Leistung Einfluss haben, das bleibt sein Geheimnis.
Bei einem Lehrgang war ich geknickt wegen einer Frauengeschichte ohne Happy End. Bernhard und ich saßen zusammen bei einem Cappuccino (er mit Süßstoff, ich mit ausnahmsweise wenig Zucker), und er erzählte mir, wie er seine Frau Britta kennengelernt hatte. Stolz enthüllte er seine innovative Eroberungstaktik. Zur ersten Verabredung habe er ihr – tata! – einen Strauß Blumen mitgebracht. Hätte er so viel Innovation im Sport an den Tag gelegt, wir wären bei der WM in Gladbach punktlos untergegangen.
So richtig hatte bei diesem letzten Peters-Wettkampf keiner mit uns gerechnet. Und auch wir selbst erst im Lauf des Turniers. Aber als vor dem Finale das fanblocküberspannende Transparent »Danke , Bernhard« ausgerollt wurde und jeder sehen
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