Fuehrungs-Spiel
Trainingssteuerung, ja selbst bei der Ausbildung einzelner Mannschaftsteile und Spielformen (»Stürmertrainer«, »Eckentrainer«) griff ich auf Experten zurück, die diese Dinge dann eigenständig mit den Spielern übten und besprachen – selbstverständlich in enger Abstimmung mit mir. Und auch das hat vor allem mit Vertrauen zu tun. Die Mitarbeiter, aber auch die Mannschaft hätten sofort gemerkt, wenn ich in diesen Bereichen nicht wirklich abgegeben, den Kollegen nicht vertraut hätte. Und auch hier konnte Vertrauen nur funktionieren, da es auf Gegenseitigkeit beruhte: Ich vertraute in die Maßnahmen der Kollegen – und sie umgekehrt darauf, dass ich aus der Summe all ihrer Maßnahmen die richtigen Schlüsse und Entscheidungen ableitete.
Die Beziehung, die mich mit dem Trainerstab, mit den Betreuern rund um die Mannschaft verband, war für den gesamten Vertrauensbildungsprozess eine besonders wichtige. Wichtig auch deshalb, weil sie, wie jede Form des Vertrauens, einem Wachstumsprozess ausgesetzt war: Mit jedem Erfolg, den wir gemeinsam feiern konnten, wuchs die Sicherheit, dass es richtig sei, mir als dem letztlich Verantwortlichen zu vertrauen. Auf dieser immer weiter gewachsenen Vertrauensbasis konnten wir dann gemeinsam mit Fehleinschätzungen, auch meinen eigenen, offen umgehen und unsere Lehren daraus ziehen. Beispiele dafür gab es viele. Im März 2006 fuhren wir zur intensiven Vorbereitung auf die WM-Saison wieder nach Südafrika in unser zehntägiges Trainingslager. Mein Programm war oft mit drei Trainingseinheiten bis an den Rand gefüllt. Zu diesem Programm gehörte auch eine Reihe von Tempoläufen über eine Distanz von 1000 Metern. Sie schienen mir extrem wichtig für die körperliche Entwicklung der Spieler. Doch meine Kollegen im Trainerstab rieten davon dringend ab: Die Gesamtbelastung würde genau durch diese Läufe zu hoch – und in der Konsequenz leistungsmindernd. Die notwendige Regeneration nach diesen Läufen, so argumentierten sie unter anderem, würde uns von anderen, wichtigeren Trainingsinhalten abhalten. Es war ein hartes Ringen, aber ich habe mich überzeugen lassen, nach der Devise der Kollegen: »Weniger ist mehr!« Ich habe ihnen und ihrem Sachverstand vertraut und bin gut damit gefahren.
Dieser Zusammenhalt innerhalb des Trainerstabes war so etwas wie die Keimzelle eines Vertrauens-Kreislaufs, der sich daraus entwickelte. Mit dem Vertrauen, das mir entgegengebracht wurde, wuchs mein eigenes Vertrauen in die Maßnahmen und Fähigkeiten, die wir beschlossen. Diese Gewissheit wiederum strahlte auf die Mannschaft ab.
2. Vertrauen zu Mannschaft (und Führungsspielern)
Auch das Vertrauensverhältnis zur Mannschaft insgesamt und zu den einzelnen Spielern war, das ist nicht zu leugnen, erfolgsabhängig. Spielten wir überzeugend und gewannen, war es für mich leichter, loszulassen und Raum zu geben für eigenverantwortliches Handeln. Dann ließ ich jedenfalls den erfahrenen Spielern zwischen den Lehrgängen viel Spielraum bei der Frage, welchen Belastungen sie sich im Training in ihren Heimatvereinen oder in Sonderschichten aussetzen. Auf gelegentliche Kontrollanrufe waren sie aber vorbereitet.
Doch auch während wir bei Lehrgängen zusammen waren, überließ ich ihnen Teile der Zeit zwischen den von mir geleiteten Trainingseinheiten. Morgens um sieben begannen sie den Tag mit einem leichten Ausdauerlauf, den die Spieler selbstständig absolvierten. Kontrolliert habe ich das nicht, genauso wenig wie es einen vorgegebenen Zeitpunkt für die Bettruhe gab. Auch, wenn die Mannschaft an den wenigen freien Abenden in Gruppen loszog, stand ich nicht an der Hoteltür und wartete, bis sie wieder zurückgekommen waren. Ich vertraute darauf, dass sie wussten, wie sie sich und ihren Körper optimal vorbereiteten. Spielten wir schlecht, so wurde das Vertrauen in die Eigenständigkeit der Spieler einer großen Belastungsprobe unterzogen. Natürlich waren dann meine Vorgaben klarer. Ich hoffte jedoch, dass die Spieler dies als notwendige Unterstützung und nicht als Vertrauensentzug betrachteten. Ganz sicher bin ich dabei rückblickend nicht.
Besonders den Führungsspielern übertrug ich im Lauf der gemeinsamen Jahre auch Aufgaben, die ich als Trainer so nicht hätte wahrnehmen können. Die Entwicklung eines Teams musste sich, davon war ich überzeugt, auch ohne das unmittelbare Mitwirken des Trainers, phasenweise auch ohne seine physische Präsenz vollziehen. Ein bisschen ist das wie bei der
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