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Fuehrungs-Spiel

Fuehrungs-Spiel

Titel: Fuehrungs-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Peters , Hans-Dieter Hermann , Moritz Mueller-Wirth
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sind hier die beiden Pole der Emotionalität. Damit wird der Grad der psychischen Labilität (= hoher Neurotizismus-Wert) beziehungsweise Stabilität abgebildet.

Vertrauen: Durch Nähe zum Erfolg
    Ein Beispiel aus der Praxis
    Der Spieler Jan-Marco Montag fiel mir bereits als 16-jähriger Junge bei Sichtungsspielen auf, zu denen die begabtesten Spieler eines Bundeslandes eingeladen werden. Er spielte in Köln, war ein groß gewachsener Junge, technisch versiert. Vor allem aber strahlte er schon in jungen Jahren ein großes Selbstbewusstsein aus, gab seinen Mitspielern lautstark Kommandos und sich so klar als Führungsspieler zu erkennen. Das gefiel mir. Montag wurde U18-Nationalspieler, er wurde U21-Nationalspieler, die beschriebenen Stärken entwickelte er weiter, hatte aber nach wie vor deutliche Defizite im Bereich der Athletik, war nicht schnell, nicht wendig genug. Es war klar: Er arbeitete nicht ausreichend an sich.
    Im Jahr nach den Olympischen Spielen von Athen rückte er dennoch in den neu formierten, jungen Kader der A-Nationalmannschaft auf. Ich wollte sehen, ob er unter meiner Führung die Kurve bekommen würde. Eines Tages eröffnete Jan-Marco mir, dass er, nach bestandenem Abitur, große Probleme habe, seinen Sport und die Ausbildung zum Immobilienkaufmann unter einen Hut zu bekommen. Das war ein ausgesprochener Vertrauensbeweis. Ich mochte den Jungen, wie er spielte, wie er sich langsam zu einer Führungspersönlichkeit entwickelte. Ich mochte aber auch sein offensives Wesen. Ich ahnte, dass ihm vor allem Vertrauen fehlte, mein Vertrauen in seine Entwicklung, seine Leistung.
    Und ich wusste: Seine Probleme mit der Ausbildung und dem Hockeysport hatten auch mit mir zu tun. Ich forderte von ihm, dass er zweimal pro Tag trainierte, morgens vor Dienstantritt, abends dann entweder mit seiner neuen Vereinsmannschaft in Mönchengladbach (zu der er gewechselt hatte, um sich weiterzuentwickeln) oder, nach meinen Vorgaben, in einer individuellen Spezialeinheit. Im Sommer bekam ich ein erschütterndes Feedback: »Bernhard, ich kann nicht mehr«, erklärte er mir, »die machen mir Druck in der Firma, ich darf nicht mehr so oft fehlen, ich stehe morgens um sieben Uhr auf dem Platz und übe Ecken, ich habe kaum Zeit zum Mittagessen, dann hetze ich zum Training und bin abends um 23.30 Uhr zurück. Ich bin körperlich total geschlaucht, für mich selbst habe ich keine freie Minute mehr. So geht es nicht weiter. Ich bin total am Ende!«
    Er war verzweifelt, wollte seine Ausbildung nicht aufgeben und kämpfte um seine Hockeykarriere. Gemeinsam mit anderen gelang es mir, ihm einen etwas weniger zeitintensiven Ausbildungsplatz zu verschaffen, der ihm mehr Freiraum für das Training in Mönchengladbach ließ. Jan-Marco gehörte dann zu der Mannschaft, die im Dezember 2005 in Madras um die Champions Trophy spielte. Vier Wochen vorher hatte ich mit ihm eine Zielvereinbarung erarbeitet. Wie alle Spieler ließ ich ihn die wichtigsten Defizite, die es zu verbessern galt, selbst formulieren. Im Kern ging es um die Verbesserung seiner Schnelligkeit, darum, dass sein Körper stabiler und robuster werden sollte.
    In Indien hatte er diese Ziele offensichtlich noch nicht erreicht, die Stürmer liefen ihm oft einfach davon. Jetzt musste ich um mein Vertrauen in ihn kämpfen und um seines in mich. In unzähligen Gesprächen besprachen wir in Madras seine Situation. Und dann nahm ich ihn mir doch richtig zur Brust: »Wenn du deine Schnelligkeit, deine gesamte Körperstabilität nicht auf ein ganz anderes Niveau bringst, dann hast du keine Chance, bei der WM in Deutschland dabei zu sein«, erklärte ich ihm. Es folgte eine Fehleranalyse der drastischeren Art: »Du fällst einfach zu oft herum, du hast eine Körperstabilität wie ein Sack Muscheln, so kannst du dich nicht präsentieren in Mönchengladbach bei deiner WM. Willst du, dass die Leute dich auslachen?«
    Als ich merkte, wie er in sich zusammensackte, zeigte ich ihm, wie sehr ich ihm vertraute: »Du bist mein Mann, ich will, dass du es zur WM im nächsten Jahr schaffst, ich weiß, dass ich mich hundertprozentig auf dich verlassen kann, ich bin überzeugt, dass du jetzt den entscheidenden Schritt machst. Ich will mit dir hier diesen Weg gehen!« Seine Antwort kam, nach einer Pause: »Bernhard, ich will das schaffen, gib mir den Winter, ich werde dir das beweisen!«
    Ich erklärte ihm, dass ich mich bei seinen Athletiktrainern nach seinen Fortschritten erkundigen würde. Nicht als

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