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Fuehrungs-Spiel

Fuehrungs-Spiel

Titel: Fuehrungs-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Peters , Hans-Dieter Hermann , Moritz Mueller-Wirth
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Platz sein würde. Sei es drum: Ein schlechtes Gewissen plagte mich in diesem Moment jedenfalls nicht. Denn ich wusste: Nach dem verpassten Olympiasieg wollte ich mit meinen Jungs unbedingt ein zweites Mal Weltmeister werden. Und doch: Es gibt diese Tage, an denen man morgens aufwacht und nicht ahnt, dass sich am Abend das Leben verändert haben wird. Zweifellos war, im Nachhinein betrachtet, dies solch ein Tag.
    Zwei Tage später schrieb Jürgen mir in einer E-Mail, dass er mich unbedingt wiedertreffen wolle. Wir mailten uns in den nächsten Wochen regelmäßig, ich schilderte, wie ich mein Team auf die Europameisterschaft 2005 vorbereitete, Jürgen seine Überlegungen für den Confederations Cup und die WM-Vorbereitung. Als er mich nach einem geeigneten Sportpsychologen fragte, empfahl ich ihm Hans-Dieter Hermann, den ich nach den Olympischen Spielen zur Hockey n ationalmannschaft geholt hatte. Unser Kontakt intensivierte sich. Während der Hockey-EM in Leipzig telefonierten wir dann lange, sprachen dabei vor allem über die schwerfälligen Strukturen des deutschen Fußballs, aber auch über den Rückstand, in den dieser im internationalen Vergleich geraten war. Ich glaube, beide Seiten spürten, dass aus diesem ersten Treffen in Berlin durchaus eine feste Beziehung werden könnte.
    Einige Wochen später trafen Jürgen, Jogi und ich uns dann im Hyatt Hotel in Köln. Wir diskutierten bis weit nach Mitternacht über die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit. Jürgen und Jogi wollten Guido Buchwald, Jürgens früheren Kumpel aus Stuttgarter Zeiten, zum neuen Sportdirektor des DFB machen. Ich sollte, als zweiter Teil einer Doppelspitze, die sportwissenschaftliche Entwicklung im Fußball einbringen. Ich fand das spannend, aber war von der Idee, im Duett mit Buchwald zu agieren, nicht sonderlich überzeugt. Für den Moment ließ ich das aber offen. Zwei Wochen später sagte Buchwald ab. Er wollte doch lieber Trainer in Japan bleiben. Jetzt wurde es ernst.
    Recht schnell entwickelte ich ein zunächst grobes Raster, in dem aus meiner Sicht ein Sportdirektor beim DFB zu arbeiten hatte. Ich untergliederte die möglichen Aufgabenbereiche in sechs Themenblöcke und stellte sie Jürgen und Oliver (Bierhoff), dem neuen Manager der Nationalmannschaft, vor:
    1.Leitbild zur Spielphilosophie des DFB
    2.Koordinierung und Leistungsoptimierung der National mannschaften/Individuelle Talententwicklung
    3. Führung und Fortbildung der Bundestrainer der sogenann ten U-Nationalmannschaften
    4.Zusammenarbeit mit Vereinen, Jugendleistungszentren und Stützpunkten
    5.Konzeptentwicklung für eine verbesserte Trainerausbil dung
    6.Innovationen und Ideen
    Die E-Mail-Konversation wurde immer intensiver, schließlich galt es, diese zunächst sehr theoretisch scheinenden Blöcke rasch mit Leben und Leidenschaft zu füllen. Der Mailverteiler war immer gleich: Neben dem Bundestrainer zählten Jogi dazu, außerdem Torwarttrainer Andreas Köpke und Manager Oliver Bierhoff. Mit Oliver Bierhoff traf ich mich dann öfter. Ihm gefiel die sechsteilige Struktur, wir sprachen über die vielen Unterpunkte und er bat mich, zu jedem Punkt ausführliche schriftliche Erklärungen zu liefern. Jür gen hatte zwischenzeitlich DFB-Präsident Theo Zwanziger von seinem Vorhaben unterrichtet, den Hockey b undestrainer zum Sportdirektor des DFB machen zu wollen.
    An dieser Stelle ist es wohl an der Zeit, dass ich kurz erkläre, warum ich mir überhaupt zutraute (oder soll ich sagen: anmaßte?), mich mit einer der interessantesten Positionen, die der deutsche Spitzensport zu vergeben hat, überhaupt zu beschäftigen. Da war zunächst doch ein gehöriges Maß an eigener Anschauung: Ich erlebte während meiner eigenen Zeit an der Kölner Sporthochschule die Ausbildung zum Fußballlehrer, also die Lizenzstufe, welche es den Bewerbern erlaubte, im Profifußball als Trainer zu arbeiten, an einigen Unterrichtstagen auch aus der Innensicht – als Lehrender. In diesen Lehrgängen sitzen in der Mehrzahl Kandidaten, die zehn oder 15 Jahre lang erfolgreiche Profifußballer waren. Kaum einer von ihnen hat, bevor sie sich um Jobs im Profibereich bewerben, den Beruf eines Trainers vor einem Team stehend in der Praxis ausgeübt. Aber sie wollen die komplexen Zusammenhänge eines langfristigen Trainings- und Wettkampfprozesses in den fünf Monaten einer Kompaktausbildung verstehen. Das ist unmöglich! Jürgen selbst absolvierte zudem nur die Kurzfassung für verdiente Nationalspieler. Doch

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