Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fuehrungs-Spiel

Fuehrungs-Spiel

Titel: Fuehrungs-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Peters , Hans-Dieter Hermann , Moritz Mueller-Wirth
Vom Netzwerk:
dem Platz stehen und diesem immensen, unmittelbaren Erfolgsdruck ausgesetzt sein.
    Zunächst versuchte ich diese Gefühle zu verbergen. Und natürlich fuhr ich mit der jungen, ambitionierten Mannschaft nach Lahore, direkt hinein in das extreme Klima. Die Spieler waren total motiviert, schließlich ging es auch um die Plätze in der Mannschaft für die großen Turniere, die EM 2005 und die WM in Deutschland 2006.
    Mit ihrer Dynamik, ihrer Power zogen mich die Jungs heraus aus meinem Tal. Der Motor sprang wieder an, die Batterie lud sich wieder auf. Und doch, so wenig das in der täglichen Arbeit eine Rolle spielte, der Gedanke an den Abschied war nicht mehr zu verdrängen.
    Also nahm ich, mit aller Power, die ich als Trainer noch einmal aufbieten konnte, die Weltmeisterschaft im September 2006 ins Visier. Doch parallel dazu ließ ich die Gedanken an neue berufliche Perspektiven bewusst zu, konnte und wollte sie nicht verdrängen. Ich habe für mich daraus zweierlei gelernt. Erstens: Wenn Körper und Seele Signale des Aufbruchs und des Abschieds aussenden, kann man dies auf die Dauer nicht ignorieren. Zweitens: Je früher man sich aktiv bemüht, diese Signale zu verstehen und zu interpretieren, desto weniger können einen diese Signale fernsteuern, desto eher bleibt man Herr des Verfahrens. Wer dies erkennt und beherzigt, wird – als Führungs-, aber auch als Privatperson – der Verantwortung gerecht, die er (oder sie) übernommen hat.
    Meine Spieler und meine Kollegen im Team entwickelten ein feines Gespür für meine Situation. Es war auch kaum zu übersehen: Ich war gelassener, gelegentlich unvermutet nachsichtig, übertrug mehr Aufgaben an meine Assistenten. Ich beobachtete, dass es immer schwerer wurde, Veränderungen und Variablen in meine Trainingspläne einzubauen, dass meine Arbeitsweise und meine Formulierungen sich besonders für die Spieler wiederholten, die schon länger im Team standen. Ich war an den Grenzen der eigenen Veränderungen in meinem Trainer-Job angelangt. Ich fürchtete, irgendwann ein Glaubwürdigkeitsproblem zu bekommen, da ich an manchen Stellen bei unbequemen, etablierten Spielern nicht mehr mit letzter Konsequenz in notwendige Auseinandersetzungen ging: in Fragen der Disziplin oder bei kleineren Fehlern in Trainingsspielen. Ich ertappte mich in den letzten eineinhalb Jahren immer wieder bei dem Gedanken, dass es mir schwerfiel, ja, dass es in mir Widerwillen auslöste, die Spieler wieder und wieder zu kritisieren und zu disziplinieren, um sie zu den so wichtigen letzten fünf Prozent auf der Leistungsskala zu treiben. Das spürten, ungeachtet der gemeinsamen Vorfreude auf das große WM-Turnier in Deutschland, auch die Spieler. Diese maximale Anstrengung, diese Leidenschaft, mit der wir miteinander umgingen, die Kernprinzipien der emotionalen Führung hatten sich langsam, aber sicher durch die Jahre verbraucht.
    In der Folge machte ich dann eine der prägendsten Erfahrungen meiner Trainerlaufbahn. Nicht nur, weil das Angebot von Jürgen Klinsmann, als Sportdirektor zum DFB zu gehen, öffentlich wurde, habe ich meine älteren Führungsspieler in meine Veränderungsüberlegungen einbezogen. Und empfing eine mich sehr berührende Reaktion. Neben dem Stolz, dass »ihr Trainer« von Klinsmann zum DFB geholt werden sollte, gaben meine Pläne auch den Spielern Gelegenheit, ihre Gefühle zu zeigen und ihre Meinung zu vertreten: »Wir werden dich vermissen, aber etwas Neues wäre auch für uns nicht schlecht, eine Veränderung wäre für beide Seiten eine gute Lösung, wir hätten Verständnis für dein Weggehen«, sagten mir einige von ihnen. Ich muss zugeben, dass sich neben der Erleichterung, dass sie mich nicht als Fahnenflüchtling abstempelten, auch ein Gefühl der Kränkung bei mir einstellte, wenn ich solche Worte hörte. Da half es auch nichts, dass viele meiner Jungs und auch Vertreter des Verbandes versuchten, mich zu überreden, noch einmal ein paar Jahre dranzuhängen.
    Wie so oft kamen mir die entscheidenden, in diesem Fall auch melancholischen Gedanken beim morgendlichen Waldlauf: »Es ist großartig, die Weltmeisterschaft mit diesen Typen noch einmal voll anzugehen, aber danach ist das Ding durch. Ich kann mir nicht vorstellen, so intensiv wie jetzt vor der WM noch einmal diesen Traum zu leben und mit dem Team erfolgreich zu sein. Ich will alles tun, damit dieser Traum wahr wird. Aber nach der WM ist es vorbei. Auch wenn wir nicht gewinnen sollten.« Ich wollte etwas Neues in

Weitere Kostenlose Bücher