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Fünf alte Damen

Fünf alte Damen

Titel: Fünf alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Morgen ging
noch weniger leicht vonstatten als sonst. Die Hirnschale war um eine halbe
Nummer zu klein geworden, und die Zunge schmeckte nach alter Pappe. Nach
Zähneputzen, Mundwasser und kräftigem Kaffee bildeten sich die Erscheinungen
weitgehend zurück. Ich rieb noch eine kräftige Prise Kölnisch Wasser an die
Denkerstirn und las dann die Zeitung. Das Horoskop wies mich an, mir ab Mittag
nichts mehr vorzunehmen. Dem sei kein Erfolg beschieden. Mit diesem Rat
versehen, ging ich zur Praxis hinüber.
    Vor der Tür hörte ich das Geräusch des
gleichmäßig bewegten Bohnerbesens. Mechthild war schon da und polierte das
Linoleum, um meine Spuren zu tilgen. Ich klapperte mit dem Deckel des
Briefeinwurfes. Sie öffnete.
    Ihr Gesicht war ein bißchen blaß, sonst
in Ordnung.
    «Morgen! Was gucken Sie so?»
    «Man wird doch noch gucken dürfen»,
sagte ich. «Schließlich waren Sie einen ganzen Tag nicht da. Alles gut
überstanden?»
    Sie nickte. «Sie wissen ja, wie das
ist. Traurig, daß man heulen möchte, und auf einmal kommt einem ein ganz
komischer Gedanke-»
    «Was für einer?»
    Sie schlug die Wimpern nach unten.
    «Ach, ich— stellte mir vor, daß Tante
Bertha selbst mit vor ihrem Sarg stände und was sie sagen würde— und da schämte
ich mich, weil ich lachen wollte— »
    «Geht vielen Leuten so», sagte ich.
«Das ist ein Zeichen des Lebens. War die Mama auch da?»
    «Sie ist noch da. Bleibt ein paar Tage
mit im Haus und kümmert sich um alles.»
    «Prima. Na, ich geh Ihnen aus dem Weg.»
    Am Schreibtisch vollführte ich die
gewohnten morgendlichen Übungen und las die Post durch, die vom vergangenen
Nachmittag liegengeblieben war. Der Auszug meines Steuerkontos war gekommen,
und ich entnahm ihm, daß ich mit der Kirchensteuer wieder im Rückstand war.
Schlimm für einen Christen. Eine Autofirma bot mir das neueste Modell an.
    ‹Wollen Sie noch sicherer fahren?› und
so weiter.
    Ich wollte schon, aber die Sicherheit
war zu teuer.
    Die Werbeprospekte las ich nur mit
einem Auge. Einer davon empfahl ein überragendes Mittel für Altersherzen, und als
ich ihn zusammenknüllte, kam mir eine Idee.
    Ich wartete. Mechthild hörte draußen zu
bohnern auf. Dann brachte sie die sauberen Spritzen herein. Langsam drehte ich
mich mit dem Stuhl.

    «Ach, was ich fragen wollte, Mechthild—
waren eigentlich welche von den Schulfreundinnen da? Ich meine, von denen auf
dem Bild— wissen Sie?»
    «Ach, natürlich!» rief sie und setzte
die Spritzen klirrend auf die Glasplatte. «Das hätte ich beinahe vergessen. Die
ganze Zeit habe ich überlegt, was ich Ihnen erzählen wollte!»
    «Seltener Fall», murmelte ich.
    «Wie?»
    «Ach, nichts. Was war’s denn?»
    «Ich hab sie gesehen— die zwei anderen!
Mutti hat sie mir gezeigt und mich bekannt gemacht.»
    «Tatsächlich?»
    «Ja. Und die eine kennt Sie! Frau
Lansome! Sie sind doch bei ihrer Schwester gewesen— Frau Herwig— das war doch
eine von denen auf dem Bild. Die vor einer Woche gestorben ist— erinnern Sie
sich nicht?»
    «Na, so was», sagte ich. Ich log schon
ganz gut. Training bringt Erfolg.
    «Ja. Frau Lansome will bald kommen und
sich untersuchen lassen. Ich glaube, sie hat Angst, es könnte ihr so gehen wie
den beiden anderen.»
    «Schon möglich», antwortete ich. «Und
wie sah die zweite aus?»
    Mechthild hielt die Hand vor die
Lippen.
    «Da hätte ich beinahe wieder gelacht!
Aber dann tat sie mir leid. Sie— sie ist ganz anders als Tante Bertha und Frau
Lansome— »
    «Wie?»
    «Ich will nichts Unrechtes sagen— aber
ich glaube, die ist— furchtbar dumm.— Wie sie sich angezogen hatte— einen
Kapotthut hatte sie, mit einer unmöglichen Nadel— »
    «Wer weiß, wie wir mit siebzig
aussehen», sagte ich lächelnd.
    «Ja, ja, ich will auch nicht lästern—
dabei sieht sie viel jünger und gesünder aus, und sie ist doch aus derselben
Klasse— und nun— »
    Mechthilds Gesicht blieb ernst, aber
ihre Augen funkelten vor Vergnügen.
    «Was nun?»
    «Nun hat sie gehört, daß Frau Lansome
bei Ihnen ist und daß Sie auch bei ihrer Schwester waren und bei Tante Bertha—
und weil ich auch hier bin, will sie jetzt zu uns kommen— wahrscheinlich schon
in den nächsten Tagen— und sie will sich ganz gründlich— »
    «Tatsächlich?»
    «Ja. Ich habe gesagt, Sie würden sich
bestimmt freuen. War das richtig?»
    Das war die Dorothea Lindemann, die mir
noch fehlte.
    «Sie sind Ihr Gewicht in Platin wert,
Mechthild», sagte ich. «Sogar während der

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