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Fünf alte Damen

Fünf alte Damen

Titel: Fünf alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Beerdigung denken Sie ans Geschäft
und an mein Wohlergehen, obwohl Kundenwerbung in unserer Branche verboten ist.
Und nun schlage ich vor, daß die Firma Groß und. Klein mit der Arbeit anfängt.
Schon welche zur Spritze da?»
    «Drei. Die Frau Segmüller und— »
    «Ziehen Sie ihren Cocktail auf.
Euphyllin— Stroph, Sie wissen ja.»
    «Jawohl, Herr Doktor.»
    Ich betrachtete sie, während sie mit den
Ampullen hantierte, und dachte dabei an die Trauergemeinde vor dem Sarg. Dabei
kam mir die zweite Idee an diesem Morgen— und keine schlechte.
    «Da fällt mir noch was ein», sagte ich.
«Haben Sie gestern unter den Leuten einen alten Herrn gesehen? Klein, großer
Schädel, weißer Haarkranz? Sieht aus wie Scho— wie ein Zwergenkönig aus Grimms
Märchen. Gar nicht zu übersehen.»
    Mechthild nahm die Nadel aus dem
Ampullenhals.
    «Den hab ich gesehen! Er hat auch mit
Frau Lansome gesprochen.
    Er war so klein und hatte eine
furchtbar große Hutkrempe— bestimmt war er das! Woher kennen Sie den?»
    «Von Frau Lansome her», sagte ich
gleichmütig, aber mir war nicht
sehr wohl in diesem Augenblick. «Irgendein Bekannter aus dem gleichen
Jahrhundert. Na, rein mit Frau Segmüller.»
    Die Patientin kam. Ich gab die üblichen
Sprüche von mir und stach die Vene an, bis das Blut wie ein roter Schleierpilz
in die Spritze stieg. Aber meine Gedanken waren dreißig Stunden zurück.
    Der Alte. Früh war er bei der
Beerdigung gewesen, und am Nachmittag tauchte ich bei ihm auf, erzählte was von
Klavierunterricht und fragte nach seiner Schwester. Kein Schatten von einem
Zweifel, daß er sofort gewußt hatte, wer ich war. Er kannte die
Schulfreundinnen, er hatte auch Jennys Beerdigung mitgemacht, Agnes Lansome
hatte ihm von mir erzählt, bestimmt hatte sie das, und ebenso bestimmt hatte er
gestern vormittag erfahren, daß ich auch bei Tante Bertha gewesen war. Meine
Länge war mein Steckbrief. Daher seine Gastfreundschaft und sein Faunlächeln
die ganze Zeit.
    Welche Rolle spielte er bei alledem?
War er auf dem gleichen Weg wie ich? Oder auf einem anderen?
    Der Stempel war unten, die Spritze
leer. Ich zog die Nadel heraus und drückte den Tupfer auf die Wunde. Die
Patientin ging, andere Leute kamen und gingen wieder. Ich redete und schrieb
wie ein Automat. Meine Gedanken zogen immer den gleichen Kreis.
    Es mußte einen Weg geben
weiterzukommen. Beim Rektor und seinem Schüler konnte ich nicht schon wieder
auftauchen, die fielen aus. Agnes würde kommen und Dorothea Lindemann. Die
blieben in der Hinterhand. Aber da war noch Krompecher, der emsige Anwalt.
    Er hatte mich überfallen und mir Fragen
gestellt. Warum sollte ich nicht das gleiche bei ihm tun? Er mußte einen Grund
haben für seine Schnüffelei.
    Um halb zwölf war mein Laden leer.
Mechthild steckte ihr Köpfchen durch den Türspalt.
    «Niemand mehr da, Herr Arbeitgeber.
Kann ich rasch zur Apotheke und unsere Sachen abholen?»
    «Sie können», antwortete ich. «Der
Alkohol ist nicht zu Trinkzwecken geeignet.»
    «Ich heiße ja nicht— » sagte Mechthild
und schloß die Tür.
    Ich lächelte leise vor mich hin. Dann
zog ich das Telefonbuch aus dem Regal und blätterte unter K. Ich hatte die
Nummer von Tante Berthas Hausarzt wieder vergessen.
    Er war selbst am Apparat. Schien mehr
zu tun zu haben als ich. Oder er machte langsamer.
    «Doktor Klein», sprach ich in den
Trichter. «Herr Kollege Koch— ich bin derjenige, der am Sonntag bei Frau von
Scherff war, bevor sie— »
    Er erinnerte sich ohne weiteres.
    «Äh— ich wollte mich bei Ihnen
bedanken, daß Sie sich so nett meiner Mitarbeiterin angenommen haben— Fräulein
Groß— ja, ganz richtig— nein, sie scheint es leidlich überwunden zu haben— ja—
jetzt ist ja auch ihre Mutter hier, da wird sie— jawohl.»
    Das Gespräch fing an, stillzustehen wie
ein Glücksrad auf dem Jahrmarkt. Ich mußte zur Sache kommen.
    «Ach— eine Frage hätte ich noch, Herr
Kollege— fällt mir gerade ein— ist bei Ihnen ein Doktor Krompecher aufgetaucht—
ein Rechtsanwalt, der etwas über die Todesursache erfahren wollte— »
    Von drüben kam keine Antwort. Nicht mal
atmen hörte ich ihn.
    «Ich frage nur— er war nämlich auch bei
mir— wegen der Frau Herwig, von der ich Ihnen erzählte— die Schulfreundin von
Frau von Scherff— ich wußte nicht viel mit ihm anzufangen— deswegen— »
    Mein Gestotter begann mir auf die
Nerven zu gehen. Ihm wahrscheinlich auch. Ich wartete und war froh, als er
antwortete.
    «Nun, wenn

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