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Fünf alte Damen

Fünf alte Damen

Titel: Fünf alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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einer Fährte war,
aber noch nie war ich selbst mit drin gewesen.
    Daniel lehnte sich gegen die Kredenz
mit den schlangenartigen Säulen.
    «Wer von Ihnen war nach Doktor Klein
zuerst da?»
    Der Rektor antwortete, ohne zu zögern.
    «Ich.»
    «Wann sind Sie gekommen?»
    «Es war um fünfzehn Uhr zehn.»
    «Du?»
    «Gegen halb drei.»
    Mechthild nickte, aber Nogees fragte
sie nichts. Er sah Agnes Lansome an.
    «Sie?»
    «Ich? Ich weiß nicht— ich— »
    «Frau Lansome kam etwa fünf Minuten
nach mir», sagte der Rektor mit ruhiger Stimme. «Doktor Klein und ich standen
noch auf dem Flur.»
    Agnes nickte hastig.
    «Ja, ja— ich bin vorhin erst— aber ich war
schon einmal da.»
    Daniel sah sie an. Wir alle taten es.
    «Haben Sie unten gefragt?»
    «Ja. Ich— »
    «Wann?»
    Sie sah im Kreise herum, als könnte ihr
einer von uns die Zeit sagen.
    «Oh— es muß gegen Mittag gewesen sein.
Ich hatte in der Stadt gegessen, und dann bin ich hergefahren— ich wollte
Dorothea überraschen— aber sie hat nicht aufgemacht.»
    Sie schwieg. Nogees wartete.
    «Ich habe ein paarmal geklingelt— dann
bin ich hinuntergegangen und habe gefragt.»
    «Was haben Sie erfahren?»
    «Die Dame wußte nichts.»
    Ich sah zu Mechthild hinüber. Wie bei
uns.
    Daniel ließ kaum Pausen zwischen seinen
Fragen.
    «Sind Sie oft hierhergekommen?»
    «Ich— wir haben uns immer mal
gegenseitig besucht. So sehr oft nicht, wenn Sie das meinen.» t «Und Sie, Herr
Doktor Wiebach?»
    «Ich bin nur wenige Male hiergewesen,
Herr Kommissar. Aber zu den Geburtstagen von Frau Lindemann regelmäßig.»
    «Hm.» Daniel schob eine Hand in die
Tasche, bevor er langsam weitersprach. «Frau Lindemann wurde aller
Wahrscheinlichkeit nach von jemandem ermordet, den sie gut kannte. Sie ließ ihn
dicht an sich heran, ohne sich zu wundern. Der Mörder betäubte sie durch einen
Schlag auf die Schläfe. Mit einem Messingleuchter. Dann stieß er ihr die
Hutnadel durch das linke Auge ins Gehirn.»
    Von Agnes her kam ein erstickter Laut.
Sie schlug beide Hände vor ihr Gesicht. Ich fürchtete, sie würde
vornüberfallen, und wollte sie stützen. Aber sie schwankte nur und hielt sich
aufrecht.
    Wir alle hatten es gewußt. Nur sie
nicht.
    Daniel fragte: «Sie haben die Tote
nicht gesehen, Frau Lansome?»
    Agnes schüttelte stumm den Kopf hinter
ihren Händen.
    «Und Sie, Doktor Wiebach?»
    Der Rektor saß, aber plötzlich schien
er größer zu sein als Daniel.
    «Ich habe sie gesehen. Es war mein
Wunsch.»
    «Warum?»
    «Ich bin immer zu ihrem Geburtstag hergekommen»,
sagte der Rektor ernst und feierlich. «Ich kenne sie seit über fünfzig Jahren,
als ich als Studienreferendar Lehrer in ihrer Klasse war. Und ich wollte
Abschied nehmen von ihr.»
    Daniel betrachtete ihn mit einem
langen, nachdenklichen Blick. Dann griff er in seine Brusttasche. Als er die
Hand herauszog, sah ich das Bild vom Nachttisch.
    «Ist das die Klasse?»
    Wiebach nickte.
    «Es ist ein Teil davon.»
    «Frau Lansome— wo sind Sie?»
    Agnes deutete auf das zweite Mädchen
von links.
    «Hier.»
    «Hm. Und Frau Lindemann?»
    «Hier. Die letzte.»
    «So.»
    Daniel wartete, steckte das Bild
langsam zurück.
    Ich beobachtete sein Gesicht.
    «Die erste Tote von den fünfen war Ihre
Schwester, Doktor Wiebach. Die zweite Ihre, Frau Lansome. Die dritte war die
Tante von Fräulein Groß. Bis dahin schien es keinen Mörder zu geben. Heute
wissen wir, daß es einen gibt. Wir müssen annehmen, daß diese Todesfälle in
einem Zusammenhang stehen.»
    Seine Augen gingen hin und her zwischen
Agnes und dem Rektor.
    «Und nun finde ich es an der Zeit, daß
Sie mir diesen Zusammenhang verraten. Den Grund, warum es einen Mörder gibt.»
    Niemand sagte etwas.
    «Ich erfahre es spätestens morgen von
Rechtsanwalt Krompecher.» Daniels Blick streifte mich. «Mir ist lieber, ich
erfahre es jetzt.»
    Der Rektor wandte den Kopf zu Agnes.
Sie blickte zu Boden.

    «Ich glaube, wir müssen es sagen,
Agnes. Es ist spät genug.»
    Sie veränderte ihre Haltung nicht.
Irgend etwas von Abwehr war darin. Als sie aufsah, wußte ich, was es war.
Mechthild und ich.
    Auch Daniel hatte es gespürt.
    «Fräulein Groß ist eine Verwandte Ihrer
Schulfreundin, Frau Lansome», sagte er ruhig. «Doktor Klein ist Ihr Hausarzt.
Er hat sich schon beim Tod Ihrer Schwester Gedanken gemacht, als noch niemand
Böses ahnte.»
    Wieder fing ich einen der schnellen,
faunischen Blicke des Rektors auf und dachte an meinen Besuch. Wenn einer Böses
geahnt

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