Fünf alte Damen
werden wir weitersehen.»
Daniel schwieg einen Augenblick. Wir
warteten am Hörer auf seine nächsten Worte.
«Na, fein», sagte er. «Sei schön
vorsichtig mit ihr. Wäre doch— wäre doch wirklich fatal, wenn sie unter deiner
Behandlung— äh— »
«Ja», murmelte ich. «Das wäre wirklich
fatal.»
Ich sah in Mechthilds Augen, während
ich auflegte.
«Das Wunderliche an dem Kerl ist, daß
man nie weiß, wann er Witze macht und wann Ernst. War schon früher so.
Wahrscheinlich braucht er das für seinen Beruf.»
Sie sah jetzt aus, als hätte sie Sorgen
um mich. Das machte mir Freude.
«Wie kann er solche Witze machen? Sie
sind doch sein Freund!»
«Das bin ich. Deswegen nehme ich ihm
auch nicht übel, wenn er alle Möglichkeiten durchgeht und dabei auch mal auf
mich stößt.» Ich stand auf und war dicht vor ihr. «Und jetzt will ich Sie was
fragen, Mechthild.»
«Ja?»
«Wollen wir zusammen Mittag essen?»
Langsam verzog sich ihr Gesicht, bis
sie richtig lachte.
«Sie sind genau wie Ihr Freund Daniel!»
Es war eine Woche später, als ich an
Mechthild die gleiche Frage stellte. Agnes war die letzte gewesen und gegangen.
Wir wollten aus dem Sprechzimmer, als das Telefon uns nachschrillte. Daniel.
«Mahlzeit, Herr Polizeipräsident»,
sagte ich. «Gute Nachrichten. Bedeutend besser. Habe ihr heute die letzte
Spritze gegeben. Ab morgen nimmt sie Digitalistropfen, zweimal drei.»
«Nennst du das gute Nachrichten?»
«Na, hör mal», antwortete ich
entrüstet. «Soll ich ihr ein neues Herz— »
«Ich habe gegraben, Michel», sagte er.
Es klang nicht witzig. «In der Friedhofserde gegraben nach alten Damen. Die
Gerichtsmedizin hat sich mit ihnen beschäftigt— außer mit Dorothea. Da war es
nicht nötig. Alma hatte ihre Lungenentzündung, sonst nichts. Auch Bertha hatte
nichts. Der Schreck läßt sich nicht mehr finden, wenn deine schöne Geschichte
aus der Zeitung stimmt. Aber Jenny, der Zwilling — die hatte was in ihrem
Herzmuskel— Digitalis. Sehr viel Digitalis. Zu viel. Und ab morgen nimmt ihr Schwesterchen
dasselbe, wie ich höre.»
Mir blieb der Atem weg.
«Jetzt trifft mich der Schlag», sagte
ich.
«Warte damit. Heute früh hat
Schopenhauer angerufen— unser verehrungswürdiger Rektor. Agnes will verreisen.
Morgen in acht Tagen. Nach England. Sie hält es hier nicht mehr aus.»
«Kann ich ihr nachfühlen. Dann wird sie
ja kaum mein Digitalis auf einmal austrinken.»
«Kaum, wenn du’s ihr nicht verordnet
hast. Aber was anderes. Der gute Wiebach hat Sorgen. Er meint, irgendwas
passiert noch, bevor sie weg ist. Und das in der letzten Nacht. Warum gerade
dann, weiß ich nicht. Aber es war ihm nicht auszureden. Jetzt werde ich sie
umschweben wie ein Schutzengel und mich in der letzten Nacht in ihr Schloß in
der Kreuzallee hocken, damit es später nicht heißt, die Polizei hätte nicht
aufgepaßt. Man will schließlich auch mal befördert werden. Wie ist es mit dir—
hast du nicht Lust, mitzukommen? Der Arzt im Haus erspart den Totengräber.»
«Nicht immer», sagte ich. «Aber wenn du
meinst, es nützt was— bitte sehr. War lange nicht bei vornehmen Leuten.»
«Und bei so reichen. Außerdem ist der
nächste Tag ein Sonntag. Da kannst du pennen.»
«Richtig. Sag mal, abgesehen von
Rektors Ängsten— glaubst du denn, der Mörder ist so nett und läßt sich am
letzten Tag hier erwischen? Er kann ja auch nach England reisen.»
«Frauen und Mörder machen die
komischsten Sachen», sagte Daniel und hängte ein.
Dieser Sonnabend kam schnell, aber er
ging langsam vorbei. Vom Aufstehen an bemühte ich mich, so zu tun, als wäre es
irgendein Tag von vielen.
Ich machte den Tee etwas stärker und
las das Horoskop noch vor der Schlagzeile.
‹Mut! Ihr Eingreifen löst manches
Problem! Fast alles gelingt Ihnen — ausgenommen in Herzenssachen. Ehewünsche
müssen Sie zurückstellen.›
«Mach ich», murmelte ich vor mich hin
und goß den Rest des heißen Wassers in die Teetasse, um den Aufwasch zu
erleichtern.
Während der Sprechstunde war ich nicht
ganz bei der Sache. Mechthild merkte es. Ich hatte ihr nichts erzählt von dem
geplanten Einsatz. Mädchen haben eine Witterung wie Rehe vor der Treibjagd.
«Hab ich was falsch gemacht?»
«Was?»
«Sie hören gar nicht zu. Ob ich was
falsch gemacht habe.»
«Wieso?»
«Sie gucken so böse.»
«Hat nichts zu bedeuten. Ich hab
überlegt, was ich heute abend anziehe.»
«Eingeladen?»
«Hm. Meine Zukünftige.»
«Oh.
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