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Fünf alte Damen

Fünf alte Damen

Titel: Fünf alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Marine?»
    «Ja.»
    «Oh, fein.»
    Mir begann die Spucke wegzubleiben.
    «Freut mich, daß ich Ihre Waffengattung
getroffen habe», sagte ich. «Und nun lassen Sie den Nächsten in die Zelle, und
kommen Sie. Nach acht klingeln Sie bitte in der Wohnung.»
    «Sie sind gar nicht nett», sagte sie
und hängte auf.
    Ich blieb sitzen, drehte mich langsam
und sah meinen Schädel auf dem Regal an.
    «Hast du so was schon mitgemacht?»
fragte ich ihn.
     
    Zehn Minuten später klingelte es
draußen wie die Funkstreife, die einen Unfall bringt. Ich erhob mich und
öffnete die Korridortür.
    Ich sah in ein erhitztes Gesicht mit dem
Lächeln eines routinierten Lausbuben. Das Haar darüber war kurz, schwarz und
mäßig zerwühlt. Die Augen hatten eine Farbe von glimmendem mittlerem Blau und
strahlten durchaus unbekümmert, trotz der Verspätung. Die Nase richtete sich
leicht nach oben. Sie schien geschaffen zum Hochhalten, und darauf und über der
Nasenwurzel saßen ein paar Sommersprossen. Die Schläfen zogen sich ganz leicht
nach innen, und in die Stirn ragten einzelne Spitzen der gestutzten Mähne wie
Federn eines Vogels, der durch den Sturm gesegelt ist. Das Ganze gehörte einem
Mädchen, das mir bis zum Kehlkopf reichte. Sie war nicht volljährig, soweit ich
sehen konnte, aber die übrige Entwicklung war durchaus abgeschlossen, und sie
sah kräftig aus und gesund wie ein ganzes Seebad.
    Sie trug ein wirrbuntes Halstuch, einen
roten Pullover und einen weißen Rock von der heute üblichen Länge. Die
Kniescheibe lag gerade noch im Dunkeln. Ich widerstand der Versuchung, noch
tiefer nach ihren Beinen zu schielen, um nicht gleich an Terrain zu verlieren.
    Gruppe zwei meiner Rangliste, wie ich
annahm. Schwarzer Tag heute. Immerhin...
    «Gott zum Gruße», sagte ich und gab ihr
die Hand. «Fein, daß Sie die Klingel losgelassen haben.»
    Ihr Händedruck war nicht zimperlich.
Sie hielt die Flaumfedern schief.
    «Ging es nicht schnell, wie?»
    «Fabelhaft», erwiderte ich. «Kommen
Sie.»
    Ich ließ sie ins Sprechzimmer
vorangehen, um die Beine nachzuholen. Ich bin eine Art Beinfetischist und
verstehe was davon. Mit dem Anbruch eines Blickes sah ich, daß ich hier alles
zusammennehmen mußte, um sachlich zu bleiben. Der kurze Rock hatte seine
Gründe.
    Das Mädchen blieb nach ein paar
Schritten stehen, streckte den Arm gegen meinen Totenschädel aus und rief:
«Huh! Wer ist denn das?»
    «Mein Kompagnon», sagte ich. «Er war
Fußgänger. Hierhin bitte.»
    Sie setzte sich und schlug die Beine
übereinander. Mühsam behielt ich den Blick oben.
    «Also, Fräulein— »
    «Groß», sagte sie und lächelte wie
vorhin an der Tür.
    «Ja. Wo sind Sie denn vorher gewesen?»
    «Noch gar nicht», antwortete sie
fröhlich. «Nur die praktische Zeit während der Ausbildung, bei Doktor Müller
und Doktor Braams.»
    Sie sah mich fragend an. Auch sie war
ein Opfer der weitverbreiteten Ansicht, daß alle Ärzte untereinander bestens
bekannt sind.
    «Hm», machte ich.
    «Ich habe doch erst die Prüfung
gemacht», fuhr sie fort, «Und— »
    «Wie alt sind Sie denn?»
    «Zwanzig— werde ich.»
    «Wann?»
    «Im April.»
    Das war noch elf Monate hin. Ich strich
mit der Hand über die Augen.
    «So, im April. Meinen Sie nicht, daß
Sie ein bißchen jung sind für so einen Betrieb?»
    «Wieso denn zu jung?» rief sie. Ihre
Flaumfedern flatterten. «Mal muß ich doch anfangen! Überall heißt es, ich bin
zu jung— »
    «Wo überall?» fragte ich.
    Sie senkte die Nase.
    «Ich hab mich schon zweimal beworben— »
    «Und?»
    «Nichts.» Sie versuchte, Falten in ihre
glatte Stirn zu legen, aber es wollte nicht werden. «Da hieß es dann auch, ich
wäre zu jung. Aber das war es nicht.»
    «Was war es denn?»
    «Die Frau Doktor», sagte sie mit
trotziger Unterlippe, «sie hat mich reingelassen und gesehen, und— da war’s
gleich aus— »
    Ich mußte mir Mühe geben, das Lachen
hinter meinem würdigen Gesicht zu lassen.
    «Vielleicht war die Frau Doktor selber
mal Sprechstundenhilfe», sagte ich.
    Das Blau der Augen wurde etwas dunkler,
und sie glimmten kurz unter den Seidenwimpern.
    «Was war es beim zweiten?»
    «Das Gegenteil. Er war nicht
verheiratet. Er sagte, ich sollte in seine Wohnung ziehen. Der Einfachheit
halber.»
    Ich konnte nicht mehr und mußte
grinsen. Sie sah voll Empörung zu mir.
    «Sie finden das komisch, wie?»
    «Na ja», sagte ich, «viele
Möglichkeiten außer den beiden gibt es nicht. Entweder es ist einer verheiratet
oder nicht.»

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