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Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Titel: Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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gesessen hatte.
    Plötzlich wurde Frances klar, dass er einsam aussah. Für andere war er eine wahre Stütze, wann immer sie ihn brauchten, aber war auch jemand für ihn da? Gott war da, sicher. Oliver schien in seinem Glauben sehr gefestigt zu sein. Doch auf einer menschlicheren Ebene … Frances überkam eine Woge des Mitgefühls und sie verspürte das Bedürfnis, ihn in den Arm zu nehmen. Während der Anwalt mit eintöniger Stimme das Testament verlas, fiel Frances auf, dass Oliver größer war als sie. Wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte und er den Kopf ein wenig nach unten neigte … Ihr Mund öffnete sich leicht, als sie sich vorstellte, wie sich ihre Lippen berührten und …
    Der Anwalt starrte sie an, eine Augenbraue hatte er fragend in die Höhe gezogen. Frances senkte den Blick und sah auf ihre Knie hinunter, bis sie am Ende des Testaments angelangt waren. Der Anwalt fragte die Anwesenden, ob sie irgendwelche Fragen hätten,und nahm dann mit feierlicher Miene Sherry und Kekse von Mrs. Gifford entgegen. Dann packten er und sein Sekretär ihre Papiere zusammen und machten sich auf den Rückweg nach London.
    Als sie gegangen waren, setzte sich Frances neben Oliver auf das Sofa und meinte: »Jetzt, wo das Haus Ihnen gehört, können Elsie und ich versuchen, uns noch in die Unterkunft der landwirtschaftlichen Helferinnen zu quetschen, aber vielleicht kann ich im Keller vorübergehend ein paar Sachen unterstellen?«
    »Natürlich, schließlich haben Sie sowieso ein Anrecht darauf, im Haus zu bleiben, das hat der Anwalt ja gesagt. Aber Cousine Muriel hat immer wieder angedeutet, dass es sowieso nur eine Frage der Zeit sei, bis Sie die Möbel für … nun ja, brauchen würden.« Oliver nahm seine Brille ab und polierte die Gläser mit einem Taschentuch. Frances sah, dass der weiße Priesterkragen seine Bräune hervorhob, die er bei seinen Wanderungen in den Downs bekommen hatte. Außerdem fiel ihr auf, dass seine tiefbraunen Augen von einem Kranz feiner Fältchen umgeben waren. Unverwandt blickte er sie an. Er sieht traurig aus, dachte Frances.
    »Hm«, sagte sie. »Sie meinen, sie wollte, dass ich Hugo heirate, stimmt’s?«
    Er nickte. »Ich glaube, nun, die Leute scheinen zu erwarten, dass … halten es für … angemessen.« Energisch polierte er die sauberen Brillengläser.
    Frances zuckte die Schultern. »Dann werde ich sie enttäuschen müssen, fürchte ich. Außerdem hat Hugo mir keinen Antrag gemacht. Aber wo wir gerade über gute Partien reden, die sie geplant hat …« Sie grinste.
    »Ich weiß, oh ja, ich weiß nur zu gut, was Sie meinen!«, stöhnte Oliver. Er schob sich die Haare aus der Stirn und setzte seine Brille auf. »Sie hat es so offensichtlich gemacht und zuerst war es mir schrecklich peinlich. Dann ließ Alice eines Tages durchblicken, dass sie einmal eine ganze Ladung Äpfel durchs Fenster in der Sakristei geschleudert und dabei alle Schimpfwörter herausgebrüllt hat, die ihr einfielen, weil Nell Hawthorne sie dazu überreden wollte, mir einen Apfelkuchen zu backen. Wir haben beide darüber gelachtund seitdem ist es einfach ein Witz zwischen uns beiden. Und zwar
nur
ein Witz«, fügte Oliver mit der festen Stimme hinzu, die er neuerdings hatte. »Alice ist ein feiner Kerl, aber sie zu heiraten, das wäre so, als würde ich meine Schwester heiraten. Überhaupt nicht das, was ich …«
    »Es würde mich gar nicht wundern, wenn Tante Muriel zurückkommt und uns aus dem Jenseits piesackt. Sie wollte doch immer das letzte Wort haben. Ganz schön seltsam von ihr, einfach alles so stehen und liegen zu lassen. Wär doch viel einfacher gewesen, wenn sie uns beide miteinander verkuppelt hätte, auf diese Weise könnten Haus, Geld, Möbel und Schmuck dort bleiben, wo sie hingehören.«
    Oliver sah derart verblüfft aus, dass Frances sich verfluchte. Das war nun wirklich nicht der richtige Augenblick für solch ein Gerede. Plötzlich hatte sie das Gefühl, zu weit gegangen zu sein. »Blöde Idee, ehrlich«, sagte sie lahm und wurde rot.
    Da lächelte er sie an und die kleinen Fältchen um seine Augen traten deutlicher zutage. »Im Allgemeinen warnt man Pfarrer ja vor älteren Damen in ihrer Gemeinde und ich hatte das Gefühl, endlich den Dreh rauszuhaben, wie ich am besten mit ihr umgehe. Wenn sie nun als Geist zurückkommt, werde ich vom Bischof die Erlaubnis für einen Exorzismus einholen. Er ist ja selbst bei der einen oder anderen Gelegenheit mit ihr aneinandergeraten.«

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