Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
Panik zu verhindern.
Bogenlampen zerschnitten den Nachthimmel zwischen den silbernen Fesselballons, als die Bomber über die Stadt flogen und ein Gebäude nach dem anderen in einer Lawine aus Steinen und Glassplittern in sich zusammenfiel. Feuer brachen aus und die Flammen verschluckten alles, was in den Ruinen noch übrig war. Ein Gashauch von einer zerstörten Leitung oder ein Paraffinvorrat reichten aus.
Von Osten her fegte ein Brüllen über die Docks, so laut, dass es jedes andere Geräusch übertönte. London bebte. Ein Lagerhaus, in dem Rumfässer lagerten, wurde unmittelbar getroffen und ein Strom brennenden Alkohols ergoss sich auf die Straße. Ein Gasometer wurde beschädigt und ein einsamer Handwerker kletterte schnell hinauf. Im Lichtstrahl der Scheinwerfer hob sich seine Silhouette gegen den Nachthimmel ab, während er sich verzweifelt bemühte, den Schaden zu beheben und eine Explosion zu verhindern.
Selbst tief unter der Erde spürten die Menschen die Erschütterungen. An ihrem Kantinenposten des
Women’s Voluntary Service
, der auf einem der Bahnsteige aufgebaut war, versuchte Penelope Fairfax ruhig zu lächeln, während sie Tee ausschenkte und Brötchen und Zigaretten verteilte. Sie hoffte, dass die beiden Burschen, die betrunken hereingekommen waren und sich stritten, nicht wieder die Toilettenkabine umwarfen. Der Gestank war sowieso schon schlimm genug, eine Mischung aus ungewaschenen Leibern und Urin, vermengt mit Zigarettenqualm und Staub, der sich durch das Bombardement löste. Der Staub setzte sich auf das Haar und in die Nase und alles fühlte sich rau und sandig an. Müde wischte sich Penelope die Hände an dem feuchten Geschirrtuch ab, mit dem sie Verschüttetes aufwischten. Sie fühlte sich verschwitzt und brauchte dringend ein Bad.
In einer weit entfernten Ecke ging die Sturmlampe aus. Kinder wimmerten in Panik. »Miss, oh, Miss, die Lampe«, rief eine Frau. Auch ihrer Stimme war die blanke Angst anzuhören. Sie alle fürchteten die Dunkelheit – im Dunkeln konnte alles passieren. Leute wurden ausgeraubt, junge Frauen vergewaltigt und auf der Suche nach Krümeln kamen die Ratten hervor und huschten über die Schlafenden hinweg.
»Komme schon! Die machen wir gleich wieder an, keine Sorge«, rief Penelope und bahnte sich einen Weg an den Stockbetten vorbei, in denen die Glücklichen schliefen, die eine Karte dafür ergattert hatten. Dann stieg sie über ganze Familien hinweg, die sich auf dem schmutzigen Boden niedergelassen hatten, Karten spielten, schwatzten oder in Decken gewickelt schliefen. Sie kümmertesich um die Lampe und die Kinder beruhigten sich wieder. Wie konnte es sein, dass immer noch so viele Kinder in London waren? Sie hatten sich solche Mühe gegeben, alle in Sicherheit zu bringen. Einige der Mütter erkannten sie und wichen ihrem Blick aus. Sie hatten es satt gehabt, irgendwo auf dem Land untergebracht zu sein und hatten ihre Kinder nach Hause gebracht.
Zurück am Teestand stieß Penelope ihre Kollegin an und wies mit dem Kopf auf einen pickligen Jungen am Eingang. »Dieser kommunistische Bursche, Ted, ist heute Abend wieder hier.« Er hielt einen Stapel bedruckter Blätter im Arm und stritt sich mit einem Mann, der ihn schließlich anfuhr, er solle den Mund halten, weil die Leute versuchten zu schlafen.
Ted achtete nicht auf ihn und begann mit seinem weinerlichen Singsang: »
Zeigen
Sie Ihre Solidarität mit der Arbeiterklasse,
unterstützen
Sie unsere russischen Waffenbrüder an der zweiten Front gegen den faschistischen Naziimperialismus.
Kaufen
Sie den Morning Star, die Stimme der Arbeiterklasse, die wirklichen Kämpfer in diesem Krieg«, sang Ted. »Brüderlichkeit und Einigkeit im Kampf!
Unterstützen
Sie unsere russischen Genossen …«
Ein Chor von Rufen wie »Halt’s Maul! Ist ja schlimmer als der verdammte Hitler, der Junge!« und »Lass die Arbeiterklasse hier verdammt noch mal schlafen!« ertönte.
»
Zeigen
Sie Ihre Solidarität mit der Arbeiterklasse …«
»Dir werd ich’s geben! Von wegen Solidarität!«
Es folgte ein Gerangel, dann ein lautes »Au! Verdammt!« und das Geräusch von zerreißendem Papier. Dann war es still.
Sie gaben das Signal zur Entwarnung erst lang, nachdem das Bombardement vorüber war, um die Leute von den Straßen fernzuhalten, während sie die schlimmsten Schäden beseitigten und die Rettungsdienste verzweifelt nach Überlebenden suchten. Die Entwarnung kam kurz nach Sonnenaufgang am Sonntagmorgen. Die Leute
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