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Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Titel: Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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Richards Vater früher seinen Claret und seinen Portwein gelagert. Und dort hatten Alice und Richard an Regentagen Verstecken gespielt. Als Luftschutzkeller war er bestens geeignet – es sei denn, das Haus würde unmittelbar getroffen und begrub Evangeline ein für alle Mal unter sich. Das geschähe ihr recht. Alice schalt sich sofort für diesen Gedanken, schließlich saßen Tanni und die Kinder auch im Keller, doch sie musste unwillkürlich an Richard denken.
    Richard und sein Konvoi waren in Gefahr, irgendwo weit draußen auf dem grauen Atlantik. Im Gemeinschaftshaus des Dorfes hatte sie ein grellfarbiges Plakat mit der Aufschrift
Auf dich kommt es an!
aufgehängt. Damit wollte sie allen einschärfen, dass sie mithelfen mussten, Gemüse anzubauen, und dass sie bescheiden sein und Sachen reparieren und nichts verschwenden, sondern alles so lang wie möglich verwenden sollten. Es war wichtig, die Kriegsanstrengungendadurch zu unterstützen, dass man so weit wie möglich auf Selbstversorgung umstellte, weil das Land dann nicht auf Lieferungen angewiesen war, die im Schutz von Konvois nach England gebracht werden mussten. Auf dem Plakat war ein solches Schiff abgebildet, die
HMS Glowworm
, die nach einem Kampf mit einem deutschen Zerstörer in Flammen aufging und sank. Jeden Tag betete Alice für alle britischen Schiffe auf See und für die Männer, die auf ihnen fuhren. Sie versuchte, nicht nur an Richard zu denken.
    Nun keuchte sie den Hügel hinauf zu ihrem Haus und zu ihrer Mutter, die jedes Mal die Nerven verlor, wenn die Deutschen das Gebiet überflogen, obwohl sie sich ihre Bomben bisher für die Städte aufgehoben hatten.
    Es dämmerte schon, als sie an ihrem hässlichen kleinen Haus ankam. Der Abend war gefährlich klar, ideale Flugbedingungen für die deutschen Piloten, die auf diese Weise gut navigieren und ihre Bomben gezielt abwerfen konnten. Richtung Norden war der Himmel über London voll von silberfarbenen Sperrballons. Er leuchtete in unheilvollem Orange, immer wieder blitzten Suchscheinwerfer und Explosionen auf. Alice stellte ihr Fahrrad ab und suchte mit ihrem Fernglas die Landschaft nach irgendwelchen Anzeichen von Licht ab, die den deutschen Piloten als Signal dienen könnten: ein Verdunkelungsvorhang, der nicht richtig zugezogen war, ein vergessenes herbstliches Lagerfeuer, das noch glomm, irgendjemand, der gedankenlos seine Taschenlampe einschaltete oder irgendein Idiot, der die Scheinwerfer an seinem Auto anmachte. Selbst Schwester Tucker, der Krankenschwester, wurde nur ein bleistiftdünner Lichtstrahl an ihrem Fahrrad zugestanden, und sie zog es vor, ohne Licht zu fahren. Sie meinte, ihre Augen sähen besser, wenn es um sie herum ganz dunkel sei.
    Alice spähte durch die verwilderten Hortensienbüsche in die Fenster im Erdgeschoss und stellte verärgert fest, dass die Verdunkelungsvorhänge nicht zugezogen waren. Sie hatte ihrer Mutter schon oft so gesagt, dass sie als Helfer des Feindes festgenommen würden, falls sie einmal vergaß, dass die Vorhänge nicht geschlossenwaren und das Licht einschaltete. Sie eilte ins Haus und hoffte, dass ihre Mutter schon in den Keller hinuntergegangen war und die Laterne angezündet hatte, die sie dort aufgestellt hatten. Sie benutzten den alten Kohlenkeller als Luftschutzraum.
    Im dunklen Hausflur roch es nach gekochten Rüben. »Mummy?«
    »Alice? Wo bist du gewesen? Du weißt doch, dass ich mir Sorgen mache, wenn du dich draußen herumtreibst. Ich habe die Flugzeuge gehört und dann die Sirene. Ich wusste überhaupt nicht, was ich machen sollte. Im Radio reden sie immer von Giftgas.« Das Sofa knarrte, als Mrs. Osbourne sich aufsetzte. Sie war verstimmt. Ihre Hände umklammerten die karierte Decke, mit der sie sich zudeckte, wenn sie ein Nickerchen machte. Mrs. Osbourne war erst fünfundfünfzig Jahre alt, doch dank ihres tatsächlichen und eingebildeten schlechten Gesundheitszustandes wirkte sie viel älter. »Als dein Vater noch lebte …«, setzte sie an.
    »Kein Gas heute Abend, Mummy. Und wenn da welches war, dann hat es mich jedenfalls nicht erwischt – und ich bin schließlich so etwas wie der Kanarienvogel für die Bergleute«, sagte Alice laut, um der üblichen Litanei an Klagen zuvorzukommen. Ihr war klar, dass sie eigentlich ihre Gasmaske tragen sollte, doch sie konnte kaum mit der Gasmaske über dem Gesicht durch das Dorf radeln und dann hügelan zu ihrem Haus fahren. Und was Mummy anging, so weigerte sie sich strikt, ihre Maske

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