Fünf Freunde Im Zeltlager
Landschaft sah in der Nacht so ganz anders aus!
Sie steuerten auf einen Hügel zu, der sich im Westen etwas gegen den Himmel abhob.
Es schien viel weiter zu sein, als es damals am Tag war. Die drei Jungen stolperten mehr, als dass sie gingen; überall standen Grasbüschel im Weg.
»Hier ungefähr haben wir den Schäfer getroffen«, sagte Dick leise. Er wusste nicht, warum er flüsterte, aber er konnte nicht anders. »Es ist nicht mehr weit.«
Ein Stück noch, dann zog Julian seinen Bruder am Arm.
»Schau mal«, sagte er. »Ich glaube, dort unten ist der Bahnhof. Man kann die Schienen glänzen sehen.«
Sie standen auf einer mit Gras bewachsenen Anhöhe unmittelbar über den alten Gleisanlagen und strengten ihre Augen an, um etwas zu sehen. Bald konnten sie dann die einzelnen Gegenstände voneinander unterscheiden. Ja, sie waren richtig.
Jockel kniff Julian in den Arm.
»Dort – ein Licht! Siehst du’s?«
Die Jungen schauten nach unten, und wirklich, auf der anderen Seite der Gleise leuchtete ein kleines gelbes Licht. Sie starrten hinüber.
»Ach, ich weiß, was das ist«, sagte Dick nach einer Weile.
»Es ist das Licht in der Hütte vom alten Samuel. Oder nicht, Ju?«
»Ja, genau«, antwortete Julian.
»Wisst ihr was? Wir schleichen uns runter und rüber zur Hütte! Wir schauen mal nach, ob der alte Samuel da ist. Dann verstecken wir uns irgendwo und warten auf den Geisterzug.«
Sie tasteten sich den Abhang hinunter. Ihre Augen hatten sich mittlerweile an die Dunkelheit gewöhnt und sie konnten ganz gut sehen. Als sie an die Gleise kamen, hörte man jeden Schritt auf den Schottersteinen. Sie blieben stehen.
»Ihr macht einen Krach wie ‘ne ganze Elefantenherde«, flüsterte Julian.
»Na und?«, flüsterte Dick. »Es ist doch niemand hier außer dem alten Samuel in seiner Hütte!«
»Woher weißt du das so genau, du Schlaumeier?«, entgegnete Julian. »Himmel, Jockel, mach nicht solchen Krach!«
Sie beratschlagten, was sie am besten tun sollten. »Wir gehen bis zum Ende der Gleise«, schlug Julian schließlich vor.
»Soweit ich mich erinnern kann, ist dort Gras, auf dem wir laufen können.«
Er hatte Recht, der Grasboden schluckte jeden ihrer Schritte.
Vorsichtig schlichen sie zu der alten Hütte.
Das Fenster lag hoch und war schmal.
Sie konnten nur hineinschauen, indem sie sich auf die Zehenspitzen stellten. Holzbein-Samuel saß auf einem Stuhl, rauchte seine Pfeife und las Zeitung. Er zwinkerte dauernd mit den Augen. Wahrscheinlich war seine Brille noch immer kaputt. Neben ihm auf einem Stuhl lag sein Holzbein.
»Er scheint den Geisterzug heute nicht zu erwarten, sonst hätte er sein Bein nicht abgenommen«, flüsterte Dick.
Das Kerzenlicht flackerte und Schatten tanzten in der kleinen Hütte. Es war ein ärmlicher, schlecht möblierter Raum, klein und unordentlich. Eine Tasse ohne Untertasse und Henkel stand auf dem Tisch, auf einem kleinen Kanonenofen kochte Wasser in einem Kessel.
Samuel legte jetzt seine Zeitung nieder und rieb sich die Augen. Er murmelte etwas.
»Wie viele Gleise gibt’s hier eigentlich?«, flüsterte Jockel, dem es langweilig wurde, den alten Samuel zu beobachten.
»Und wo führen sie hin?«
»Ungefähr einen Kilometer von hier ist ein Tunnel«, erklärte Julian und zeigte an Jockel vorbei ins Dunkel. »Die Gleise kommen von dort und führen hierher, gabeln sich, zum Rangieren und so, denke ich, als das alles noch in Betrieb war.«
»Wir könnten doch zum Tunnel gehen«, schlug Jockel vor.
»Kommt. Hier gibt’s nichts mehr zu sehen.«
»Gut«, sagte Julian. »Ich glaube aber nicht, dass wir dort viel mehr sehen werden! Die Geisterzüge sind eine Erfindung vom alten Samuel!«
Sie verließen ihren Standort und gingen den Weg zurück, den sie gekommen waren. Dann folgten sie einem einzelnen Schienenstrang, der zum Tunnel führte. Es machte ihnen nichts mehr aus, auf den Steinen zu gehen und etwas Lärm zu verursachen.
Und dann geschah es! Von sehr weit her drang ein seltsamer Laut aus dem Gewölbe, dem sie nun nahe genug gekommen waren, um die schwarze Öffnung zu sehen. Julian hörte es zuerst. Er blieb stehen und klammerte sich an Dick.
»Horcht doch! Hört ihr nichts?«
Die anderen blieben auch stehen.
»Ja«, sagte Dick. »Aber das ist doch bloß wieder einer von den Zügen, die hier unterm Moor durch die Tunnels fahren.
Das muss so ‘ne Art Echo sein.«
»Nein, Dick, das kommt von einem Zug, der durch diesen Tunnel fährt«, widersprach Julian.
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