Fünf Freunde Im Zeltlager
gähnendes Loch, das sich in tiefer Schwärze verlor. Julian sah eine kleine Nische in der Wand und beschloss hineinzukriechen und dort zu warten. Die Nische war als Ausweichplatz für Arbeiter bestimmt, wenn ein Zug vorbeikam.
Er sah auf das Leuchtzifferblatt seiner Uhr. Zwanzig Minuten hatte er bis hierher gebraucht. Der Zug konnte jeden Augenblick kommen! Nun würde er ihn ganz aus der Nähe sehen. Julian wünschte, Dick wäre bei ihm.
Er wartete und wartete. Einmal glaubte er ein fernes Rumpeln zu hören, und er erwartete den Zug jede Sekunde, aber nichts geschah. Er wartete eine halbe Stunde, es geschah noch immer nichts. Was war passiert?
Ich warte noch zehn Minuten, dann gehe ich, beschloss er. Ich habe die Warterei in diesem alten schmutzigen Tunnel satt.
Vielleicht ist der Zug im Eulengarten geblieben. Nach zehn Minuten gab Julian auf.
Dick erwartete ihn da, wo er ihn verlassen hatte. Er war ungeduldig und verärgert.
»Du warst eine Ewigkeit fort!«, sagte er vorwurfsvoll. »Was hast du die ganze Zeit gemacht? Unterwegs gepennt oder was?
Dieser blöde Zug ist schon lange wieder zurückgefahren. Er ist nur ungefähr zwanzig Minuten im Bahnhof geblieben.«
»Zurück in den Tunnel?«, wiederholte Julian. »Wirklich?
Aber auf der anderen Seite ist er nicht aufgetaucht. Deshalb habe ich ja so lange gewartet. Einmal habe ich ganz in der Ferne was gehört. Das muss er dann wohl gewesen sein!«
Die Jungen standen vor einem Rätsel.
»Ich glaube, der Eingang zu dem zweiten Tunnel ist wirklich zugemauert«, sagte Julian schließlich. »Sonst könnte der Zug ja dorthin fahren.«
»Genau, wenn es ein richtiger Zug ist und keine Geisterbahn!«, pflichtete Dick ihm bei. »Aber rausfinden können wir das jetzt nicht. Das müssen wir mal tagsüber tun.
Mir reicht’s für heute!«
Julian hatte auch keine Lust mehr. Schweigend trotteten die beiden zum Lager zurück.
Sie dachten nicht mehr an den Strick vor ihrem Zelt und stolperten darüber. Hundemüde krochen sie in ihre Schlafsäcke.
Der Strick, tatsächlich an Georgs großer Zehe befestigt, zog tüchtig und Georg wachte auf. Tim war schon wach, er hatte die Jungen kommen hören.
Sie hatte sich nicht ganz ausgezogen. Schnell schlüpfte sie aus ihrem Schlafsack und kroch zum Zelt hinaus. Jetzt hatte sie die Jungen ertappt!
Aber es war nichts zu hören und zu sehen. Sie schlich zu dem anderen Zelt. Beide Jungen waren nach dem anstrengenden Ausflug sofort eingeschlafen. Julian schnarchte und Dick atmete so tief, dass Georg es draußen hören konnte. Sie nahm an, dass irgendein Tier über den Strick gestolpert war, horchte noch ein paar Minuten, gab dann aber auf und kehrte zu ihrem Zelt zurück.
Am nächsten Morgen war sie außer sich. Julian und Dick erzählten von ihrem nächtlichen Erlebnis, und Georg war fassungslos, dass sie wieder ohne sie gegangen waren. Wie hatten sie das nur geschafft, ohne den Strick zu berühren?
Dick sah in Georgs Gesicht und musste lachen.
»Es tut mir echt Leid, aber wir haben deine Schliche durchschaut. Bloß haben wir dann den Strick vergessen, als wir zurückgekommen sind. muss ganz ordentlich gezogen haben, oder?«
Georg hätte ihm am liebsten das ganze Frühstück ins Gesicht geworfen. Zum Glück für alle kam Jockel gerade in diesem Augenblick. Er grinste nicht, wie gewöhnlich, sondern machte ein sehr bedrücktes Gesicht.
»Hallo!«, rief Julian. »Du kommst gerade recht zum Frühstück.«
»Ich kann nicht«, erwiderte der Junge. »Ich hab nur ein paar Minuten Zeit. Es ist zum Auswachsen, ich muss für zwei Wochen zu einer Schwester von meinem Stiefvater! Zwei Wochen! Da seid ihr ja längst nicht mehr da, oder?«
»Nein. Aber wieso musst du weg?«, fragte Dick überrascht. »Hast du Krach gehabt oder was?«
»Ach wo, ich hab auch keine Ahnung, was in den gefahren ist. Meine Mutter sagt keinen Ton und schaut bloß traurig.
Mein Stiefvater hat eine fürchterliche Laune. Ich hab das Gefühl, die wollen mich aus dem Weg haben. Ich hab diese Schwester bloß ein einziges Mal gesehen, ich kenn sie überhaupt nicht. Aber das eine Mal hat mir gereicht, sie ist eklig.«
»Komm doch her und bleib bei uns, wenn sie dich los sein wollen«, schlug Julian vor.
»Mensch, das is’ ‘ne Superidee!«, sagte Jockel und sah gleich wieder fröhlicher drein.
»Na klar, das wäre doch toll!«, meinte Dick. »Ich wüsste nicht, warum das nicht gehen sollte.«
»Ja. Ich komme«, sagte Jockel schnell entschlossen. »Ich sag aber
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