Fünf Freunde und ein Zigeunermädchen
jetzt in der Mauer der Burg.«
Sie stiegen die Steintreppe hinauf, die in einen kleinen Raum führte, kaum größer als ein Schrank. Dicht aneinandergedrängt sahen sie erstaunt um sich. Eine Bank stand an der einen Wand, darüber gab es ein Bord mit einem alten Krug, und auf der Bank lag ein schmaler, verrosteter Dolch.
»Seht euch das an«, sagte Georg atemlos, »wie lange das hier wohl schon liegt.«
Dick ließ den Schein seiner Taschenlampe über den Boden gleiten, und stieß gleich darauf einen leisen Schrei aus.
»Was ist?« fragte Julian.
In dem kreisrunden Lichtkegel glänzte ein Stück blaurotes Papier, und darunter glitzerte es silbern. »Schokoladenpapier«, sagte Dick.
Er nahm es auf und strich es glatt. »Klar, die Marke kennen wir doch, essen wir oft genug selber.«
Alle schwiegen. Das konnte nur eins bedeuten. Jemand war vor kurzem hier gewesen, jemand, der Schokolade gegessen und das Papier fortgeworfen hatte, jemand, der nicht damit gerechnet hatte, daß es jemals gefunden würde.
Julian brach das betroffene Schweigen. »Also, wir sind nicht die einzigen, die diesen Weg kennen. Jetzt möchte ich wetten, daß er zum Turm führt!«
»Seid leise«, flüsterte Dick. »Es könnte jemand in der Nähe sein!«
»Ja, vielleicht gehen wir lieber zurück«, sagte Julian.
»Nein«, flüsterte Georg aufgeregt, »nein, auf keinen Fall!«
So gingen sie vorsichtig weiter. Ein schmaler Gang führte aus dem kleinen Raum bis zu einer Wendeltreppe, und oben angekommen, standen sie vor einer Tür. Ein großer eiserner Ring ersetzte die Klinke.
Julian zögerte. Sollte er, oder sollte er nicht? Ein paar Sekunden vergingen, während er überlegte. Dann drehte er sich fragend nach den anderen um.
»Los«, flüsterte Dick, und Julian griff nach dem Ring, drehte ihn, und die Tür öffnete sich geräuschlos.
Er spähte durch den Spalt und sah auf eine schmale Galerie, die innen um den Turm lief. Der Mond schien durch ein Fenster, und Julian konnte in dem schwachen Licht ein tiefer gelegenes Turmzimmer erkennen.
Es war totenstill. Er winkte den anderen und flüsterte:
»Wahrscheinlich das dritte Stockwerk«, und Dick meinte:
»Ja, wir sind bestimmt schon ganz schön hoch.« Sein Flüstern war zu laut gewesen, und sie fuhren alle zusammen, als es, um die ganze Galerie gelaufen, wieder zu ihnen zurückkam.
»Und was nun?« fragte Georg leise. »Siehst du eine Treppe?«
»Wir gehen rund um die Galerie und sehen nach«, sagte Julian. »Aber paßt auf, daß ihr nicht stolpert, der Boden ist nicht gerade sehr eben.«
Er ging langsam voran, und endlich gelangten sie an eine Treppe, die hinunter in das Turmzimmer führte.
Ihr gegenüber lag eine Tür, ähnlich der, durch die sie gekommen waren.
Auch sie besaß einen eisernen Ring, und Julian drehte ihn langsam, doch die Tür öffnete sich nicht. Sie war verschlossen, aber ein riesiger Schlüssel steckte im Schloß, und auch ihn drehte Julian ohne den geringsten Erfolg. Und dann sah er, daß sie verriegelt war.
Also mußte jemand dort eingesperrt sein! Ob es der Mann war, dessen Gesicht sie am Fenster gesehen hatten? Julian flüsterte dicht an Annes Ohr:
»Vielleicht ist der Mann da drin. Georg soll mir Tim geben.« Und eine Sekunde später schob Georg Tim nach vorn. Er zwängte sich an ihnen vorbei und blieb neben Julian stehen. Der schob leise den Riegel zurück, stieß langsam die Tür auf und lauschte, ehe er die Taschenlampe anknipste.
Eine Treppe führte steil hinauf, dort oben mußte der Gefangene sein!
»Los«, sagte er, »aber seid leise!«
Jo ganz allein
Julian hielt Tim am Halsband fest, während er die enge Steintreppe hinaufstieg, und die anderen folgten schweigend.
Und dann standen sie wieder vor einer Tür. Hinter ihr war ein seltsames dumpfes Geräusch zu hören, und Tim knurrte tief in der Kehle. Zuerst wußte Julian nicht, was für ein Geräusch es sein könnte, aber dann erkannte er es.
Jemand schnarchte! Also konnte er es wagen, einen Blick hinter die Tür zu werfen. Vorsichtig öffnete er sie einen Spalt, eine Hand in Tims Halsband.
Das Licht des Mondes fiel durch ein schmales Fenster auf das Gesicht eines schlafenden Mannes. Julian betrachtete es mit wachsender Erregung. Ja, es war das Gesicht, das sie am Turmfenster gesehen hatten!
›Es ist Terry Kane!‹ dachte er und bewegte sich wie ein Schatten durch den Raum. ›Er sieht genauso aus wie auf dem Bild in der Zeitung. Vielleicht ist der andere auch hier.‹
Vorsichtig sah er
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