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Fünf Hunde im Gepaeck

Fünf Hunde im Gepaeck

Titel: Fünf Hunde im Gepaeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ibbotson
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Aufenthaltsraum, in dem die größeren Kinder fernsehen konnten.
    Die Heimleiterin hieß Mrs Platt. Sie war eine dicke freundliche Frau, die ihr Bestes tat, den Waisen ein Zuhause zu geben. Doch für die Kinder, die hier lebten und darauf warteten, von Pflegeelternabgeholt zu werden, war es nur »das Heim«. Niemand wollte länger hier bleiben als unbedingt nötig.
    An dem Morgen, an dem der Zirkus seine erste Vorstellung geben sollte, war in Greystoke House gerade ein kleines Mädchen aufgewacht, das kein Interesse daran hatte, von Pflegeeltern aufgenommen zu werden. Es schien auch sonst an nichts Interesse zu haben. Das Mädchen war sehr hübsch mit seinen großen dunklen Augen, der goldfarbenen Haut und dem lackschwarzen Haar, aber es lebte in einer für andere unzugänglichen Welt.
    Nini stammte aus Indonesien, von einer Insel voller üppiger Wälder, kristallklarer Flüsse und mit Bergen, die wie große grüne Kegel aussahen. Neben diesen Naturschönheiten gab es dort jedoch auch plötzliche Erdbeben und schreckliche Schlammlawinen. Bei einer dieser Katastrophen war Ninis Familie ums Leben gekommen und man hatte Nini in ein Waisenhaus gebracht, das von Nonnen geführt wurde.
    Das Waisenhaus lag in der Nähe eines Klosters, in dem die Mönche friedlich sangen und beteten, während ihre Wachhunde auf den steinernen Stufen saßen, um die bösen Geister fernzuhalten.
    Eines Tages waren ein reicher Geschäftsmann und seine Frau auf die Insel gekommen, um dort Ferien zu machen. Sie hatten das kleine Mädchen gesehen, das ruhig unter einem Jacaranda-Baum spielte, und beschlossen, es zu adoptieren und mit nach England zu nehmen.
    Die erste Zeit hatte es ihnen Spaß gemacht, ihre hübsche Tochter nett anzuziehen und mit ihr vor ihren Freunden anzugeben. Doch dann stellten sie fest, dass das kleine Mädchen nicht so schnell Englisch lernte, wie sie gehofft hatten. Ja, Nini sprach nicht nur nicht Englisch, sie sprach überhaupt nicht.
    Sie schleppten sie von einem Arzt zum anderen und bekamen viele Diagnosen für das, was mit Nini nicht stimmte, aber keiner wusste, was zu tun war. Nini war nicht taub, auch ihre Augen waren in Ordnung, aber sie war eingeschlossen in ihrer eigenen Welt.
    Als sie wieder einmal einen ganzen Tag lang in einem Krankenhaus verbracht hatte, um irgendwelche Tests zu machen, bekam sie einen fürchterlichen Wutanfall.
    »Das ist typisch für die Asiaten«, hatte ein Freund gemeint. »Man nennt es Amoklauf.«
    Das war zu viel für das Ehepaar, das docheigentlich nur eine hübsche, plappernde Puppe hatte haben wollen. Sie brachten Nini zum Jugendamt und sagten, sie könnten sie unmöglich behalten. Seither befand sie sich in Greystoke House. Sie benahm sich nicht schlecht, sie war auch nicht schwierig, sie war praktisch nicht da.
    Nun stieg sie aus dem Bett und lief leichtfüßig wie eine Elfe den Korridor entlang und in den Schlafsaal der älteren Jungen. Dem Jungen, dessen Bett direkt neben der Tür war, zog sie die Decke weg.
    Mick erwachte, und als er Nini sah, setzte er sich auf.
    »Der Zirkus ist da, Nini. Heute gehen wir in den Zirkus«, wiederholte er noch einmal.
    Mick war ein kräftiger Bursche mit roten Haaren, Sommersprossen und einem fröhlichen, offenen Gesicht. Sein Großvater war Bergmann gewesen, bis man die Mine geschlossen hatte. Aus unerfindlichen Gründen war Mick Ninis Beschützer geworden und der Einzige, den sie überhaupt zur Kenntnis nahm.
    »Es wird bestimmt ganz toll«, fuhr er fort. »Da gibt’s Pferde und Akrobaten und Clowns.«
    Aber Nini antwortete nicht, sie schaute ihn nur an. Er hätte ihr genauso gut erzählen können,dass sie alle am Nachmittag zum Zahnarzt müssten.
    Mick seufzte und griff nach seinen Kleidern.
    Greystoke House war nicht weit von dem Platz entfernt, an dem der Zirkus sein Zelt aufgeschlagen hatte.
    Angeführt von der rundlichen Mrs Platt und einer Aushilfe namens Doreen, machten sich die Kinder auf den Weg. Sie waren so aufgeregt und voller Vorfreude, dass sie den ganzen Weg über hüpften und sprangen. Nur Nini, die Micks Hand umklammert hielt, lief schweigend und ruhig neben ihm her.
    Im Zirkus bereiteten sich alle auf die Vorstellung vor. Auf einer Bühne vor dem Zelt jonglierte ein kleiner Mann mit Schnurrbart mit vielen bunten Bälle. Ein anderer Mann in glitzernden Strumpfhosen schlug auf eine große Trommel.
    »Kommen Sie, meine Herrschaften! Kommen und erleben Sie Charlys Zirkus, das achte Weltwunder!«, rief er.
    Die Kinder aus Greystoke

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