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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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sehen wollte, warst nicht du, sondern Blut!
    Aber warum hat er denn dann mit mir geschlafen?
    Ach wirklich, mit dir geschlafen hat er? So nennen wir das jetzt? Meine Güte, er hat dich gefickt. Du bist ihm nachgelaufen und er hatte wahrscheinlich einfach nichts Besseres zu tun.
    Sie schlägt den Kopf auf die Matratze, wirft sich hin und her, reißt die Decke aus ihrer Verankerung, und dann steht sie plötzlich am Vorhang, hält sich am Fensterbrett fest, während sie nach oben schaut und wieder den Frauenkörper auf dem Gemälde sieht. Sie lässt den Blick hin und her gleiten, von rechts nach links und wieder zurück, als müsse sie nur gründlich genug kucken, um ein Zeichen von ihm zu entdecken. Und dann endlich findet sie es tatsächlich, auf dem Sims vor einem der großen Fenster: drei Zigarettenstummel, bis auf den Filter runtergebrannt.
    Da ist er, denkt sie, das sind seine, so winzig wie die sind.
    Sie drückt die Hand auf den Mund, versucht das Rasen ihres Atems zu unterdrücken. Spürt die noch immer wie mit Uhu überzogenen Zähne an ihren Fingern.
    Der Biss fällt ihr ein.
    Sie nimmt sich vor, sich das nächste Mal, wenn sie ihn sieht, bei ihm zu entschuldigen.
    Aber wer sagt denn, dass ihr euch wiederseht? Hat er etwa versucht, mit dir Kontakt aufzunehmen? Ich war doch krank. Davon hat er doch keine Ahnung. Ja, aber er kann doch nicht einfach so vorbeikommen. Was, wenn Arno daheim wäre? Unsinn, er hätte ja warten können, bis er Arno im Innenhof weggehen sieht. Wahrscheinlich war ihm das zu riskant. Oder vielleicht, vielleicht, war er gar nicht da. Ja klar, er wird die ganze Zeit rund um die Uhr außer Haus gewesen sein. Bestimmt doch!
    Die Gedanken rasen durch sie hindurch, schütteln sie durch, bis sie es tatsächlich mit der Angst bekommt und zurück zum Bett stolpert, endlich Arno ruft, oder vielleicht besser seinen Namen flüstert, aber das reicht schon.
    Beim ersten Ton ist er da, so froh, dass er gebraucht wird, so verängstigt, dass er vielleicht wirklich gebraucht wird, dass seine Mundwinkel sich kaum entscheiden können, in welche Richtung sie sich biegen sollen.
    »Nichts ist los«, sagt meine Mutter, »ich wollte dich nur sehen«, und ärgert sich im nächsten Moment schon wieder darüber.
    »Ach du!«, ruft er und drückt ihr einen Kuss auf den Mund.
    »Nicht! Ich will dich nicht anstecken«, sagt sie, aber er küsst sie noch mal, kriecht zu ihr unter die Decke und schlingt die Arme um sie.
    »Ist dir kalt«, fragt er und beginnt schon mal, ihre Handgelenke zu rubbeln.
    »Ein bisschen«, flüstert sie, während er sich bäuchlings auf sie rollt.
    »Schon wärmer?«, fragt er lachend.
    »Ja«, stöhnt meine Mutter unter seinem Gewicht.
    »Ich hab dich so vermisst«, seufzt er und drückt das Gesicht wieder in die Mulde zwischen Schlüsselbein und Schulter.
    Meine Mutter schiebt die Hand über seinen Hinterkopf nach unten, streichelt nervös seinen Rücken. »Ich war doch die ganze Zeit hier.«
    »Nein, du warst ganz weit weg.« Er greift hinter sich, zieht sein T-Shirt hoch, schiebt den Arm meiner Mutter auf die nackte Haut.
    Sie lässt die Hand an seiner Wirbelsäule hinabgleiten. Mein Vater beginnt zu schnurren.
    »Tu mir das ja nicht noch mal an. Mich so lange allein zu lassen! Du musst wirklich besser auf dich aufpassen.«
    »Ich hab auf mich aufgepasst«, sagt meine Mutter und fragt sich im nächsten Moment, ob das schon wieder eine Lüge ist.
    Sie streckt den Zeigefinger aus und zeichnet ein großes Fragezeichen, von unten nach oben, drückt einen Punkt zwischen die Schulterblätter.
    »Mmh«, macht er.
    Sie fährt wieder nach oben und schreibt in langen, weich ineinander fließenden Buchstaben »G«, »E«, »F«, »I«, »C«, »K«, »T.«
    »Arno?«, fragt Arno.
    »Genau«, sagt sie. Sie hält das T-Shirt mit der anderen Hand in seinem Nacken fest. Und dann schreibt sie ihm die ganze Geschichte auf den Rücken. Ich habe mit einem anderen Mann gefickt. Es war schrecklich. Und wunderbar. Besser als mit dir. Besser, als es je mit dir sein wird.
    Mmh, mmh, mmh, macht Arno und wackelt mit den Zehen, so sehr genießt er ihr Geständnis.
    Fick, fick, fick, schreibt sie, bis ihr Finger lahm wird. Sie schüttelt das Handgelenk aus.
    »Nicht aufhören«, jammert er.
    Meine Mutter wechselt den Arm und beginnt, die Szene nachzumalen, vier Geraden für ein Rutschbahnhäuschenquadrat, zwei Strichmännchen, erst ein kleines, dann ein großes, gleich obendrauf. Mein Vater wackelt mit den

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