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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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blauen Flecken her?«, fragt er und fährt mit dem Zeigefinger über ihre Hüfte.
    Sie weicht zurück. Ihr Rücken stößt ans Waschbecken. Das Badezimmer läuft schwarz an.
    »Obacht!«, ruft er lachend und greift nach ihrem Ellenbogen. Er wartet, bis sie wieder das Gleichgewicht gefunden hat, hebt ihre Beine behutsam eins nach dem anderen über den Wannenrand. Meine Mutter spürt, wie er ihre Haare mit den Fingern nach oben kämmt und zusammenbindet, dann die Feuchtigkeit an ihren Fesseln. Er hält die Düse ans entgegengesetzte Beckenende und lässt das Wasser über seine Hand rinnen, bis es warm genug ist, kommt endlich langsam mit dem Strahl auf sie zu. Sie kneift die Oberschenkel zusammen, verschränkt die Arme darüber, aber das Wasser strömt unaufhaltsam unter ihren Ellenbogen hindurch, bahnt sich seinen Weg zwischen ihre Beine. Der Geruch des Duschgels steigt ihr in die Nase, während mein Vater sie mit schnellen Bewegungen einseift. Mit hängendem Kopf schaut sie zu, wie er den Schaum von ihrem Körper spült, ihr die Düse zwischen die Pobacken hält, sieht auf einmal den Spreißel an ihrem Knöchel. Die Haut darum ist rosa, ein wenig kann man schon den Eiter in der Mitte erkennen, um den das Wasser herumfließt wie um eine Insel.
    Sie schaut auf. Aber Arno scheint vollauf damit beschäftigt, sicherzustellen, dass ihr Haar auch ja keinen Tropfen Wasser abbekommt, während er die letzen Krönchen von ihren Schultern wischt. Er dreht den Hahn zu, nimmt das Handtuch vom Haken und rubbelt sie sorgfältig trocken. Dann streift er ihr ein frisches Nachthemd über und zieht sie mit sich zurück ins Schlafzimmer.
    Er hebt sie ins Bett, deckt sie zu. Schenkt ihr ein Glas Wasser ein, falls sie etwas trinken wolle. Hängt eine Steppdecke über das Bettgestellt, falls ihr kalt werden solle. Scheint sich ständig neue Dinge einfallen zu lassen, die er noch für sie tun könne. Meine Mutter schafft es kaum, die Hand über der Decke festzuhalten, bis er endlich das Zimmer verlässt und sie, schwindelig vor Angst, überprüfen kann, ob ihre Haut sich noch erinnert.
    Aber zu ihrer Überraschung sind die Spuren noch genauso klar zu erkennen wie zuvor. Sie fährt über ihre Innenschenkel, nicht dazwischen, ein, zwei Zentimeter Abstand sind genug, um ihren ganzen Körper davon erschauern zu lassen, fühlt, wie das Kribbeln von innen nach außen brandet, wie die Wellen hochschlagen, sich brechen, langsam flacher werden, endlich in den Finger- und Zehen- und Haarspitzen versiegen. Einen Augenblick spürt sie dem Gefühl nach, schüttelt Arme und Beine aus, tut so, als würde sie sich im Zimmer umsehen. Nur um im nächsten Moment gleich wieder über die Stelle zu fahren, die einfach nicht taub wird (und ja, ich weiß, auch das hatten wir schon mal). Wieder und wieder pirscht sie sich an, peitscht das Blut aufs Neue durch ihre Venen, bis sie so erschöpft ist, dass sie schon wieder einschläft.
    Sie wacht erst wieder davon auf, dass jemand etwas ruft. Einen Moment lang glaubt sie, es sei wieder er, der im Innenhof steht und lacht. Dann merkt sie, dass die Stimmen aus dem Inneren der Wohnung kommen. Eine Tür fällt zu. Absätze klappern näher.
    »Ich wollte halt nicht, dass du dich sorgst«, hört sie Arno sagen.
    »Ich bin ihre Mutter«, kommt es doppelt so laut hinterher, »was hab ich denn noch im Leben, wenn ich mir nicht mal um mein Kind Sorgen machen darf?«
    Meine Mutter zieht die Decke über den Kopf, versucht in den Traum zurückzukriechen. Aber da fliegt die Tür schon auf und meine Großmutter herein.
    »Da bin ich!«, ruft sie und schält sich im Laufen aus Schal und Mantel, »mein Gott, was ist denn das für eine Luft hier! Bei dem Mief würd ich auch krank werden. Mein armes Kind, jetzt bin ich ja da!«
    Der Lattenrost biegt sich durch. Meine Großmutter wischt meiner Mutter die Haare aus dem Gesicht, drückt die Hand auf ihre Stirn.
    »Es ist schon viel besser«, beeilt sich Arno zu sagen, »als ich das letzte Mal gemessen habe, hatte sie nur noch erhöhte Temperatur.« Er kommt hinter meiner Großmutter hergelaufen. Jetzt, wo sie da ist, ist er wieder auf seine normale Größe zurückgeschrumpft.
    »Geh ma fort«, sagt meine Großmuter, »das sind doch mindestens 39,9!«
    Sie reißt das Fenster auf und meiner Mutter die Decke weg, bohrt rechts und links die Hände in die Matratze, als sei sie im Begriff, ein paar Liegestütze auf ihr zu machen. »Ihre Augen sind ja völlig entzündet«, ruft sie.
    »Ich wollte

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