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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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sie und spreizt Zeige- und Mittelfinger zu einem weiten V.
    Er schaut sie zweifelnd an, nimmt dann aber doch den Filter aus dem Mund und schiebt ihn ihr zwischen die Fingerknöchel.
    Sie zieht die Hand zu sich. Die Spitze zittert ein wenig, während sie den Filter weit in den Mund schiebt.
    »Aaah«, macht sie und schaut dem Rauch hinterher, so wie Alex es tut.
    Er kneift ein Auge zusammen, als würde er ins Licht blicken. »Du rauchst doch gar nicht.«
    Meine Mutter nimmt die Zigarette aus dem Mund. »Nur manchmal«, sagt sie und, weil er das Auge noch mehr zusammenkneift, »wegen Anna, ich will nicht, dass sie mich dabei sieht.«
    Jetzt lüg ich schon meine fiktive Tochter an, denkt sie und hält ihm wieder die Zigarette hin.
    Sein Mundwinkel zuckt ein wenig.
    »Was denn?«, fragt sie unsicher.
    Er nimmt ihr die Zigarette ab, ohne sie dabei aus den Augen zu lassen, sein Mundwinkel biegt sich noch weiter nach oben.
    »Was?«, fragt sie wieder.
    Er zieht selbst, lässt sich viel Zeit, bevor er antwortet. »Du atmest nicht in die Lunge.«
    Meine Mutter fühlt, wie ihr die Röte ins Gesicht steigt. »Was?«, fragt sie zum dritten Mal, aber diesmal erwartet sie keine Antwort. Ihre Finger beginnen noch mehr zu zittern. Sie macht eine Faust, schaut von rechts nach links, sucht nach einer Erklärung, mit dem sie das Lächeln, das sie jetzt plötzlich gar nicht mehr erstrebenswert findet, aus seinem Gesicht wischen könnte. Aber ihr will beim besten Willen keine einfallen.
    Ich muss hier raus, denkt sie, ich muss sofort hier raus! Sie legt die Finger an die Sofakante, schiebt sich nach vorne, ihr Bein streift sein Knie und dann spürt sie plötzlich seine Lippen, die sie zurück in den Sitz drücken, sich auf ihre drücken, so fest, dass sie kaum noch Luft bekommt.
    »Was?«, tönt es schon wieder in meiner Mutter, aber seine Zunge schiebt sich so tief in sie hinein, dass an Reden nicht zu denken ist, fährt an der Innenseite ihrer Wangen entlang, über ihren Gaumen, in den Hals, als wolle er ihre ganze Mundhöhle damit ausfüllen. Etwas Altes, Abgestandenes mischt sich mit dem Geschmack der Zahnpasta. Es ist eklig und erregend, wenn das überhaupt ein Unterschied ist.
    Ihre Zähne stoßen aneinander, so eilig hat sie es, auch ihre Zunge in seinen Mund zu bekommen. Er umfasst ihre Hüfte, zieht sie auf seinen Schoß und beginnt sie auf und ab zu stoßen. Wie eine Flickenpuppe hüpft sie auf seinen Oberschenkeln, als habe sie weder Gelenke noch Muskeln, die sie anspannen könnte, schlackert mit den Armen, fällt von rechts nach links. Was?, denkt sie immer wieder. Was?Was?Was? Ihre Knie rutschen von der Sitzfläche, während das Gehüpfe noch schneller wird. Sie flicht ihre Finger in seine, zieht sie um sich herum und knotet sie hinter ihrem Rücken ineinander. Wie damals im Turnen, wenn die DDR -Meisterin ihr Hilfestellung gab, beugt sie sich über den Ring nach hinten, macht eine Brücke, aber er lässt sich die erzwungene Umarmung nicht gefallen. Finger für Finger entheddert er ihrer beider Hände und greift ihr stattdessen in den Nacken, zieht sie mit einem Ruck zurück nach oben, sodass sie das Gefühl hat, nur an seiner Hand zu hängen. Sie zerrt seine Joggingjacke zwischen Rücken und Sofalehne nach unten und das T-Shirt darunter den umgekehrten Weg hinauf, bis es an seinem Hals stecken bleibt. Er hebt die Arme, fasst hinter sich und zieht das T-Shirt am Kragen über den Kopf, während sie sofort seine Schultern zu küssen beginnt, die Brust, die zarte Haut, die sie unter der Achsel findet. Der abgestandene Geschmack wird noch stärker. Sie lässt ihre Lippen hin und her gleiten, wirft den Kopf herum, verausgabt sich in ihrem Aktionismus, den sie für Leidenschaft hält, während sie sich fragt, wann er denn jetzt auch endlich mal sie auszieht. Aber er küsst sie nur mit der gleichen, langsamen Bestimmtheit weiter, sodass sie sich endlich selbst aufknöpft. Mit fahrigen Bewegungen stößt sie die Finger durch die Knopflöcher, schüttelt die Schultern, sodass die Weste von ihnen fällt, drängt sich ihm entgegen, bis seine Lippen sich von ihrem Mund lösen. In großen Sprüngen steigen sie ihren Hals hinab. Er legt seine Hand auf ihre rechte Brust und zieht den BH nach unten, fährt mit den Zähnen um den Hof herum, während sie vor Ungeduld aufstöhnt.
    Und er plötzlich zurückrutscht. Als habe ihn ihre Stimme mit einem Mal wieder daran erinnert, wer sie ist, schiebt er sie von sich runter und steht auf. Seine

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