Fünf Kopeken
den Boden, aber er rührt sich nicht, atmet nur mit seinen langen Zügen immer mehr Schlaf zwischen sich und meine Mutter.
Sie legt einen Arm um ihn, bewegt ihre Finger auf seinem Bauch.
Sie nimmt den zweiten Arm dazu, fährt über seinen Po.
Dreht sich doch auf die andere Seite und presst ihren Rücken an seinen.
Sie schiebt die Hände unters Gesicht, sieht den Diddlmausbecher unter dem gegenüberliegenden Bett, an dem vielleicht, vielleicht auch nicht, ein Lippenstiftabdruck zu sehen ist.
Vielleicht schläft er ja gar nicht wirklich, fällt ihr ein, vielleicht tut er nur so. Vielleicht sitzt er gerade jetzt hinter mir, hellwach, und lacht mich heimlich aus.
Sie sieht die gelben Zähne, diesmal alle beide Reihen, die Lippen, die sich darüber auseinanderziehen, bis das Bild so lebendig wird, dass sie tatsächlich hinter sich greifen muss, um das gleichmäßige Pulsen seines Rückens in ihrer Hand zu spüren.
Ihr wird kalt. Sie streckt den Arm über die Bettkante, zieht ihre Weste nach oben. Setzt sich auf, halb bemüht, ihn nicht zu wecken, halb, es doch zu tun, schlüpft in die Ärmel, schaut kurz über die Schulter, um zu sehen, ob er sich rührt.
Sie lässt sich wieder auf die Matratze sinken, und plötzlich dreht er sich doch um, fällt förmlich auf sie drauf. Ohne die Augen zu öffnen, schiebt er sein Gesicht auf ihre Schulter, wickelt ein Bein um ihres, aber es kommt ihr doch eher vor, als verwechsle er sie einfach mit der Decke. Sein Atem beginnt zu stottern, als habe er Schluckauf, dann hört sie wieder den regelmäßigen Rhythmus seiner Gleichgültigkeit.
Ihr fällt ein, dass es nur ein paar Tagen her ist, dass sie sich das letzte Mal unter einem Mann wiederfand, der nach getanem Sex eingeschlafen war, selbst hellwach, nur dass sie damals an einen andern dachte, und jetzt an genau den, der auf ihr liegt, auch wenn er genauso weit entfernt ist.
Sie schließt die Augen, versucht, ihn sich vorzustellen, wie sie es die ganze Zeit getan hat, aber in seinem Bett wollen sich die Teile nicht mehr zusammenfügen.
Sie macht die Augen auf, hat auf einmal fast schmerzhaft Sehnsucht nach seinem Gesicht. Sie legt die Hand auf seinen Kopf und versucht, ihn so weit von sich zu schieben, dass sie einen Blick auf ihn werfen kann, aber er lässt sich nicht bewegen.
Sie schaut zum Nachttisch, will ihn wenigstens auf dem Foto in seinem Ausweis betrachten, aber ihr Arm reicht nicht ganz heran. Das Einzige, was sie zu fassen bekommt, ist die Spitze eines weiteren Buchs. Als sie mit den Fingern daranstößt, rutscht eine Zahnbürste darunter hervor.
Mit was hat er sich denn dann vorhin die Zähne geputzt?, denkt sie und schubst das Buch weiter zur Seite. Sie sieht den Bürstenkopf, der völlig zerrupft ist, den Schal vorm Fenster, durch den sich die schwarze Nacht ins Zimmer drängt.
Und merkt plötzlich, wie spät es ist.
Erschrocken schiebt sie ihn von sich und kriecht vom Bett, sucht auf allen vieren ihre Kleider, kann den BH nicht finden. Sie hebt den Fellteppich an, schaut unters Bett, kriecht ein Stück weit darunter, aber da ist nur noch mehr Kram. Sie tastet in den Spalt zwischen Nachttisch und Bett. Reißt die Hand zurück. Sieht, als sie sich der Stelle zaghaft wieder nähert, das volle Kondom, das dort auf den Dielen liegt, durchsichtig, wie ein Stück Kuchengelatine. Sie sucht das Bett ab, das er jetzt völlig einnimmt, die Arme überm Kopf, die Beine weit von sich gespreizt. Ein Mann, der es gewohnt ist, alleine zu schlafen. Im Schein der Lampe wirken seine Glieder fast so gelb wie alles andere in der Wohnung, nur sein Rücken und der Po sind weiß, wie die Umrisse der Bilderrahmen auf einer leeren Tapete, wenn die Bewohner ausgezogen sind.
Sie klopft die Matratze ab, hebt das Kissen hoch, entdeckt endlich den Träger, der unter seiner Hüfte hervorschaut. Sie muss die Finger ein wenig unter ihn schieben, um den BH heraus zu bekommen, aber er wacht nicht auf, setzt nur wieder kurz mit dem Atmen aus. Und fängt sofort wieder an. Sie hakt den Verschluss im Rücken zu, zieht die Weste darüber, betrachtet seinen offen stehenden Mund, die vier dicken Schlangenlinien, die sich in die Haut über sein Ohr graben, wie die Reifen eines Traktors auf einem Feldweg. Sie lässt den Blick übers Bett gleiten, sieht das Laken, das völlig glatt ist, und dann plötzlich ihren eigenen Arm, das Strickmuster darauf, das sich in genau den gleichen Linien dahinschlängelt.
Für einen Augenblick spürt sie, wie auch ihr
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