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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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lief also nach Hause, zog den Koffer unterm Bett hervor, warf ihre Einkäufe hinein. Befand das riesen Ding für eine Nacht doch als übertrieben und wühlte solange im Schrank herum, bis ihr Arnos Schwimmtasche in die Hände fiel. Sie packte ihre Sachen um, legte eine Reisezahnbürste obenauf, Zahnpasta, ein Buch. Nahm Letzteres wieder heraus. Sie cremte sich von Kopf bis Fuß ein, zog ihre neue Unterwäsche an, holte das Make-up und versuchte, die Stifte und Pinsel und Bürstchen genauso leicht über ihr Gesicht gleiten zu lassen, wie Jule es getan hatte. Aber tatsächlich wirkte das Resultat eher, als habe sie gar kein Gesicht, als sei das Make-up das Eigentliche und nur die alberne Fratze dahinter aufgemalt. Die Augen inmitten des Eyelinergitters waren durchsichtig, die Wangen unter dem leuchtenden Rouge noch blasser, selbst die zwei dunkelrot glänzenden Balken schienen sich nur als Lippen auszugeben, während sich der tatsächliche Mund schüchtern zwischen Nase und Kinn verkroch.
    Nervös rannte sie auf die Toilette und wusch sich das Gesicht. Begann von vorne. Kratzte auch den zweiten Versuch wieder ab. Fing noch mal an, bis sie endlich so spät, also wirklich so, so spät dran war, dass sie, zufrieden oder nicht, aber: natürlich nicht!, aus dem Haus rannte.
    Aber als sie endlich atemlos in der Lobby ankam, war außer einem müde aussehenden Mann hinter der Rezeption niemand zu sehen.
    Auf der Uhr über der Tür war es zehn nach eins.
    Sie setzte sich auf eine der verranzten Couchen. Betrachtete die Wände. Überlegte sich, was sie sagen sollte, wenn er kam. Überlegte sich, wie sie kucken sollte, wenn er kam.
    Wenn er denn kam.
    Aber natürlich würde er kommen. Was machst du dir denn schon wieder für Sorgen? Sind doch erst zehn Minuten. Elf. Elfeinhalb. Elf vierzig. Fünfzig. Zwölf.
    Sie schlug die Beine übereinander, drückte die Hände darauf.
    Versuchte zu lächeln.
    Und ließ es besser wieder bleiben.
    Sie ging zur Tür. Blickte auf die Straße.
    Lief am Fenster entlang und wieder zurück.
    Sie schaute auf ihre Füße. Schaute erneut zur Uhr, auf der es jetzt schon vierzehn nach, nein doch erst dreizehn, aber dann schließlich doch vierzehn nach eins war.
    Und dachte plötzlich, dass er ja auch schon im Zimmer sein könnte.
    Sie lief zur Rezeption, wartete, bis der müde Mann den Kopf hob.
    »Kann es sein, dass mein  … , also, hat gerade, ich meine, hat vielleicht vor ein paar Minuten mein Bekannter eingecheckt?«
    »Name?« fragte der Mann.
    »Alexander«, fing meine Mutter an, dann fiel ihr ein, dass sie noch immer nicht seinen Nachnamen kannte. »Ähm, also, ich bin mir grad nicht sicher, wie er weiter  … «
    Der Mann machte eine wegwerfende Handbewegung. »Bemühn Sie sich nicht, nen Alexander hab ich eh nicht auf der Liste«, sagte er und ließ wieder den Kopf sinken.
    Meine Mutter hielt sich an der Theke fest. »Äh, können Sie mir vielleicht sagen, also, sofern das nicht unter Ihre Schweigepflicht fällt, also, unter welchen Namen haben Sie denn Reservierungen vorlie…«
    »Lösch, Umlauff«, las der Mann lustlos vor, »Wandt, McCoy, Piecek, von Hauff, Schneider  … «
    »Das ist es!«, unterbrach ihn meine Mutter. »Das bin ich!« Sie spürte, wie ihr schon wieder heiß wurde. Woher kannte Alex denn ihren Nachnamen? Sie hatte ihn ihm doch nie gesagt. Spionierte er ihr etwa nach? Nein, es reichte natürlich, dass er auf seinem Weg nach unten einmal angehalten und ihr Klingelschild gelesen hatte, aber zumindest hieß es doch, dass er sich diese Mühe gemacht hatte, dass nicht nur er in ihrem, sondern auch sie in seinem Kopf war.
    Der Mann kramte wieder irgendwo herum, legte ein Plastikkärtchen auf den Tresen, zog es aber, als meine Mutter die Hand danach ausstreckte, wieder zurück.
    »Bei uns ist Vorauskasse.«
    »Ach so, ja, äh, natürlich.« Meine Mutter nahm das Portemonnaie aus der Tasche, zog wahllos ein Bündel Scheine heraus und hielt es ihm hin.
    »Eine Nacht?«, fragte er skeptisch.
    Meine Mutter nickte.
    Der Mann nahm sich ein paar Scheine, schien kurz zu überlegen, schob den Rest dann aber doch zurück.
    »Frühstück gibt’s bis um zehn, um zwölf seid ihr raus, sonst berechnen wir nen Tag extra, viel Vergnügen.«
    »Danke«, sagte meine Mutter und griff zaghaft nach dem Kärtchen.
    Sie fuhr mit dem Fahrstuhl nach oben und suchte das Zimmer, ließ die Fingerknöchel gegen die Tür schlagen.
    Aber drinnen tat sich nichts.
    Sie klopfte noch einmal. Steckte endlich die

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