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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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Karte in den Schlitz. Die Tür quietschte wie in einem Gruselfilm, wenn der Mörder reinkommt, während die Blondine unter der Brause steht. Aber die Dusche war leer. Und auch im Rest des Zimmers befand sich so gut wie nichts. Ein Bett, eine braune Wolldecke darauf, ein Tisch, Fernseher, das war’s.
    Vielleicht hat er ja verschlafen?, dachte sie. Wenn er heute frei hat, hat er gestern sicher länger gearbeitet. Und dann Dimas Besuch! Vielleicht war er so erschlagen, dass er einfach ein bisschen länger liegen geblieben ist.
    Sie öffnete den Reißverschluss der Tasche, dachte, dass sie vielleicht schon mal ein paar Dinge auspacken könnte.
    Und zog stattdessen die Strapse an.
    Sie legte sich aufs Bett, streckte einen Arm über dem Kopf aus. Rutschte zur Seite, um die Position auf dem schwarzen Bildschirm zu überprüfen. Sie winkelte die Beine an. Lag eine Minute so da. Zwei. Zehn. Schob die kratzende Decke beiseite und streckte sich auf dem Laken aus.
    Sie schaltete den Fernseher an, erst ganz leise, damit sie Alex’ Klopfen hören würde, dann lauter, damit sie es auch nicht hören und sich von ihm überraschen lassen könnte.
    Sie schob ein Bein über das andere, warf das Haar nach hinten, spürte, wie die Spannung aus ihrem Körper wich, wie ihre Muskeln erschlafften, den eingezogenen Bauch auf die Decke sinken ließen, während ihr rasender Atem in ihre Handfläche hallte, hörte, fühlte, ja roch sogar die Schwäche in der stechenden Süße des Angstschweißes, schmeckte sie im Salz auf ihren Lippen, sah sie endlich auch, sah die Tränen, die sich zwischen ihren Fingern hervordrückten und unablässig auf das Laken fielen, auf dem sich eine schmutzige Pfütze bildete.

15. Kapitel
    Als sie plötzlich eine Hand auf ihrer Schulter spürt.
    Sie fährt zurück, stößt sich den Kopf am Bettpfosten, während seine gelben Zähne vor ihr aufblitzen.
    Ihr Handballen drückt gegen seine Schulter.
    Er lacht. »Hab ich dir Angst gemacht?«, fragt er und kneift ein Auge zu.
    Meine Mutter rutscht zur Seite.
    Die Luft zischt in seinem Mund. »Was haben wir denn da?«, ruft er und beugt sich nach vorne. Sie spürt seinen Atem zwischen ihren Brüsten, auf ihrem Bauch, dann auf einmal seine Zunge, die über ihre Oberschenkel fährt, so plötzlich, dass sie unwillkürlich die Knie zusammenschlägt.
    »Au!« Die Finger an die Schläfe gepresst kommt er hoch, schlägt ärgerlich gegen ihre Beine, »was soll denn das?«
    Meine Mutter setzt sich erschrocken auf. »Tut mir leid, das wollte ich nicht«, ruft sie und streckt die Hand nach ihm aus.
    Aber noch ehe sie ihn berühren kann, packt er ihren Arm und biegt ihn hinter ihren Rücken. Seine freie Hand gleitet nach unten, malt um ihren Nabel. Verwirrt sieht sie ihm zu, wie er mit den Haken der Strapse spielt, die Strumpfbänder schnalzen lässt, sie angrinst.
    Und dann plötzlich ein fast besorgtes Gesicht macht.
    »Geht’s dir gut?«, fragt er und stützt sich auf. Er streicht ihr die Haare aus der Stirn.
    »Ähm, ja, klar«, murmelt meine Mutter und dreht sich zur Seite, so schwer liegt sein Blick auf ihr.
    Alex setzt sich auf die Fersen. »Wie lange bist du denn schon hier?«
    »Seit kurz nach eins«, murmelt meine Mutter.
    »Wieso bist du denn so früh gekommen?«
    »Das wolltest du doch.«
    Er schüttelt den Kopf. »Nein, um drei.«
    »Aber auf der Karte hat eins gestanden.«
    »Hat es nicht«, beharrt er, sieht fast wütend aus, sodass sie schnell »naja, ist ja auch egal, jetzt bist du da« hinterherschiebt und ihn zu küssen versucht. Aber er schüttelt sie ab und springt vom Bett. »Hast du die Karte noch?«
    Meine Mutter zieht die Träger ihres BH s nach oben. »Äh, ich glaub schon.« Sie schaut sich im Zimmer um, läuft ins Bad, kramt das Portemonnaie aus der Schwimmtasche.
    Er kommt ihr nach und zieht ihr die Visitenkarte aus den Händen, hält sie so dicht vor die Augen, als sei er kurz vorm Erblinden. »Da, fünfzehn Uhr!«, ruft er triumphierend.
    Meine Mutter folgt seinem Finger, sieht tatsächlich die »5«, die sich neben die »1« quetscht, so eingeklemmt zwischen Straße und Postleitzahl, dass sie kaum zu erkennen ist.
    »Ach«, sagt sie dümmlich. Sie steckt die Karte zurück in ihre Tasche, fummelt am Reißverschluss herum, richtet sich schwerfällig auf. Und erblickt plötzlich ihr Gesicht im Spiegel, das jetzt, daran besteht zumindest mal kein Zweifel, tatsächlich eines ist. Entsetzt betrachtet sie die schmutzigen Schneisen, die die Tränen in die

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