Fünf Kopeken
verschränkt.
»Was hast du denn?«, fragte ich noch mal und suchte ihren Blick, der mir immer wieder entwich, griff endlich nach ihrem Arm, aber sie riss sich barsch los.
»Kannst du mir mal sagen, was der Scheiß soll?«, rief ich und packte wieder ihr Handgelenk. Sie zerrte an ihrem Arm, aber ich hielt dagegen, bog ihr förmlich die Faust auf, bis endlich ein verdrücktes Streichholzheftchen hervorkam. Daneben klebte eine Zigarette in der feuchten Handfläche. Die Spitze war abgekokelt, in der Mitte war sie geknickt, sodass der Tabak wie trockenes Stroh herausquoll.
Ich sah zu ihr auf. Ihre Augen waren fast schwarz.
»Bist du jetzt zufrieden?«, rief sie. Mit einem Ruck befreite sie ihren Arm, legte die Hand um die Stelle, an der ich sie festgehalten hatte, als hätte ich sie verletzt. Ihre Pupillen zuckten hin und her.
In meiner Schläfe hämmerte es. »Was soll denn das?«, hörte ich meine Stimme wie von weit her, während ihr Kopf immer größer wurde, als rase er auf mich zu.
»Mir war halt danach«, stieß sie durch die Zähne und wandte mir den Rücken zu. Sie ging in die Hocke, senkte den Kopf, sodass sich die Wirbelsäule in rundem Bogen unter dem T-Shirt abzeichnete. Die Flamme war mehr zu hören, als zu sehen.
Sie krümmte sich noch weiter, fluchte leise, ließ schließlich die Zigarette auf den Boden fallen und zerrieb sie unter der Sohle. Ihre Hand fuhr in die Hosentasche. Sie zog ein Päckchen Gauloises heraus und schüttelte es wie eine Rassel, half mit dem kleinen Finger nach, bis gleich drei, vier Zigaretten auf einmal herausfielen.
Und ich? Stand einfach so am Wegrand und sah zu ihr hin, wie einer, der mit dem Hund Gassi geht und darauf wartet, dass er sein Geschäft verrichtet. Sah über ihre Schulter, wie sie ein neues Streichholz anzündete, dann noch eins, und noch eins, wie sie sich weit über die Flamme beugte, sie mit der Hand abschirmte, endlich den Rücken herumbog und ärgerlich »Kannst du mir vielleicht mal helfen?« rief.
»Was?«, rief ich, »spinnst du jetzt?«
Sie drehte sich auf den Zehenspitzen, wippte hin und her, und dann sagte sie, »bitte«, und noch mal, fast weinerlich »bitte, ich brauch deine Hilfe.«
»Bei was denn?«, rief ich und schüttelte den Kopf.
Sie hielt die Zigarette ein Stück nach oben. »Ich weiß, dass du weißt, wie’s geht.« Sie ließ sich auf die Knie sacken. »Bitte, ich werd auch nicht böse.«
» Du wirst nicht böse?«, schrie ich.
Aber sie sah mich nur an, mit einem so flehentlichen Ausdruck, wie ich ihn noch nie an ihr gesehen hatte.
Ich weiß nicht, was ich damals dachte. Wahrscheinlich dachte ich gar nichts und machte einfach nur, was sie mir sagte, weil sie eben meine Mutter war, weil ich ja eigentlich immer machte, was sie mir sagte, selbst wenn sie es nicht sagte. Vielleicht wusste ich auch einfach nicht, was ich sonst machen sollte. Vielleicht war es leichter, sich neben sie zu knien und ihr die Streichhölzer aus der Hand zu nehmen, als weiter so dazustehen und sie anzusehen.
Ich brach ein Streichholz aus dem Pappkamm und strich es über den Rand.
Meine Mutter steckte die Zigarette zwischen die Lippen und hielt sie dicht über die Flamme, aber sie glühte nicht auf.
»Du musst ziehen«, sagte ich.
»Mach ich doch!«, nuschelte sie ungeduldig.
Ich nahm ihr den Filter aus dem Mund und schob das bereits völlig aufgeweichte Ding zwischen meine eigenen Lippen, zündete die Zigarette an und gab sie ihr zurück.
»Nicht so weit rein«, rief ich, während sie so fest zog, dass sich zwischen ihren Brauen drei tiefe Zornesfalten bildeten.
»Tss, gib schon her!«, sagte ich und nahm ihr die Zigarette wieder aus den Fingern. Ich füllte meinen Mund mit Rauch. Dann rief ich »Ahhh, deine Mutter kommt!«, jenen Satz, mit dem mir vor vielen Jahren ein Freund das Rauchen beigebracht hatte.
Sie nickte gereizt und schnippte mit den Fingern, bis ich ihr die Zigarette zurückgab, kam nur bis »Ahhh, deine Mu«, bevor sie wie wild zu husten begann. Sie schlug sich auf die Brust, workste richtig, bis ihr Keuchen endlich in schallendes Gelächter umschlug.
Ich nahm ihr die Zigarette weg, bevor sie sich noch verbrannte, und sah ihr zu, wie sie lachte. Ihr Gesicht verschwand hinter den Fingern, während ihr ganzer Körper auf und ab hüpfte. Dann fuhr sie sich mit der Hand über den Hals und sagte: »Rauch du sie fertig, ja?« Sie ließ sich auf den Po fallen, mitten ins nasse Gras, und sah mich wieder mit diesem Bettelblick an.
Ich
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