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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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das dann wieder zu der Berühmtheit, während sie sie zu den Ständern mit den Modellen der neuen Frühlingskollektion führte. »An was hatten Sie denn gedacht?«
    »Ach, ich hab eigentlich noch gar nicht gedacht«, sagte die Exfreundin des Sportlers, und man konnte ihr ansehen, dass das stimmte.
    Meine Mutter strich über die Ständer, schob zwei Paar Hosen auseinander, schüttelte den Kopf, zog schließlich ein Kleid heraus. »Das haben wir ganz neu reingekriegt«, sagte sie und hielt den Bügel in die Luft.
    Die Berühmtheit berührte vorsichtig den Stoff. »Hm, schön.«
    Meine Mutter hielt das Kleid vor den schmalen Körper. »Das ist genau Ihre Farbe.«
    »Hm«, sagte die Berühmtheit nochmal.
    »Wollen Sie es vielleicht mal anprobieren?« Meine Mutter zog die Ärmel auseinander und ließ sie wie ein paar Flügel auf und ab schlagen.
    Die Berühmtheit streichelte unschlüssig über das Muster. »Ja, vielleicht.« Sie sah meine Mutter an, als läge die Entscheidung bei ihr, kratzte sich am Po, ließ sich dann aber doch den Weg zur Umkleide zeigen.
    Meine Mutter wartete diskret in einigem Abstand, die lauernden Augen meines Großvaters auf der einen, die der Verkäuferinnen auf der andern Seite. Der Vorhang begann zu zittern.
    »Lassen Sie mich wissen, falls Sie etwas brauchen.«
    Die Pumps kippten gegen die metallenen Beine des Hockers. »Ich glaube, es ist mir etwas zu weit«, kam es dumpf hinter den samtenen Vorhangwellen hervor.
    »Kein Problem, ich bringe Ihnen sofort eine Größe kleiner«, rief meine Mutter und folgte der gepunkteten Spur, die die Bleistiftabsätze auf dem Teppich hinterlassen hatten.
    »Und? Was will sie?«, zischelte mein Großvater.
    »Und? Wie ist sie?«, Frau Jablonsky.
    Meine Mutter verdrehte die Augen. »Na was wohl? Kleiner will sie’s.«
    »Sieht sie traurig aus?«, fragte die andere Verkäuferin.
    Meine Mutter rieb sich die Stirn. »Nicht wirklich.«
    »Da kann man nix drauf geben«, sagte Frau Jablonsky. »Wenn man so unter Beobachtung steht wie die, darf man natürlich keine Schwäche zeigen. Aber tief drinnen  … «, sie nickte sich zu.
    »Wir sollten echt anfangen, andere Größen draufzuschreiben«, stöhnte meine Mutter. »Einfach alles zwei Nummern runter und alle sind glücklich«, sie drehte sich zu der anderen Verkäuferin. »Holen Sie mir bitte ne 34 aus dem Lager.«
    »Moment.« Mein Großvater hielt die Verkäuferin am Arm fest. »Was hat sie denn im Moment an?«
    »36«, sagte meine Mutter.
    »Das is genau richtig für sie, für ne 34 ist ihr Busen zu groß.«
    »Versuch du mal, ihr das zu erklären.« Meine Mutter stieß die Luft durch die Nase.
    Frau Jablonsky fasste sich an die Brust. »Einfach so sitzen gelassen zu werden! Dabei hatten sie sogar schon die Hochzeit geplant!«
    »Mein Gott! Können Sie dieses Gespräch vielleicht woanders weiterführen!«, rief mein Großvater, und: »gib mir mal eine andere 36.« Er zog seinen Schlüsselbund aus der Hosentasche, nahm meiner Mutter das Kleid aus der Hand und zupfte das Etikett nach oben. Die Zackenkante fuhr unter das Etikett. Drei Mal hin und her und der Faden löste sich. »Stift!«, rief mein Großvater und schnipste in die Luft. Die andere Verkäuferin zog einen Kugelschreiber aus dem Jackett.
    Er griff nach dem Papierschild, auf das der Preis gedruckt war, und malte eine schöne runde 34 darauf.
    »Die Leute wollen belogen werden«, sagte er bestimmt, »das erspart ihnen die Mühe, es selbst zu tun.«
    Meine Mutter sah ihn misstrauisch an, lief aber doch zurück zur Umkleide und reichte das Kleid durch den Vorhang. Aus der Kabine kamen hektische Geräusche, als habe sie ein Tier in seiner Höhle aufgeschreckt.
    Die erste Sechsunddreißig fiel zu Boden, während die nackten Füße in die neue stiegen. Der Regen prasselte schräg gegen das Fenster.
    »Und?«, fragte meine Mutter, »passt die?«
    »Ich glaub schon«, hörte sie es von drinnen. Der Vorhang wurde zurückgeschoben. Die Berühmtheit tapste zum Spiegel und drehte sich auf den Zehenspitzen hin und her. »Ja, das sitzt viel besser.«
    »Wie eine zweite Haut«, rief mein Großvater und kam von hinten angerannt. Er schlug sich mit der Hand auf den Mund, lief im Halbkreis um sie herum, als würde er eine Skulptur im Museum bestaunen. »Wunderschön!«
    Die Berühmtheit im Spiegel strahlte. »Macht die Farbe mich nicht etwas blass?«
    »Blass?« Mein Großvater trat näher an sie heran. »Wenn da manchmal so ein aufgeschwemmtes Weißbrot hier

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