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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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reinkommt«, er legte vertraulich die Hand an den Mund, »das nenne ich blass. Aber bei Ihrem Teint!« Er drehte wieder eine Runde. »Und diese Figur! Gibt es eigentlich etwas, was Sie nicht tragen können?«
    Die Exfreundin des Sportlers lächelte wieder. Sie schlüpfte in die Kabine zurück, zog den Vorhang zu. Mein Großvater winkte Frau Jablonsky herbei und zischelte ihr etwas zu.
    »Wunderschön«, sagte er nochmal, als die Berühmtheit heraustrat, auch wenn sie das Kleid jetzt nur noch über dem Arm trug. Er nahm es ihr ab, legte eine Hand an ihren Rücken. Aber statt direkt mit ihr zur Kasse zu gehen, drehte er sie, sehnsüchtig »Brasilien!« und »die sanfte Hälfte Südamerikas« seufzend, in die andere Richtung.
    »Mmm«, sagte die Berühmtheit, während er sie durch die Winterabteilung bugsierte.
    »Man sagt ja, Rio de Janeiro sei die schönste Stadt der Welt!«, schwärmte mein Großvater.
    »Mmm«, sagte die Berühmtheit nochmal.
    »Mein Unternehmen«, wieder Scheinwerferarm, »nimmt mich ja leider sehr in Beschlag, aber ich möchte nicht sterben, ohne mal am Zuckerhut gewesen zu sein!« Er schlug einen weiteren Haken, schob sie an den Hüten vorbei. »Haben Sie vielleicht irgendwelche Empfehlungen?«
    »Ja, ähm, also, in Rio selbst war ich eigentlich nur einmal«, murmelte die Berühmtheit, »zum Karneval.«
    »Ach, der Karneval! Das ist doch etwas anderes als unser Fasching, was?«, rief mein Großvater. »Die Deutschen glauben ja, sie seien sonstwas für Spaßvögel, weil sie sich einmal im Jahr ein paar Punkte auf die Nase malen. Aber in Brasilien! Da ist das Feiern Teil der Kultur, über Jahrhunderte gewachsen! Für die, wie sagt man nochmal?, Cariocas, nicht wahr?, für die gehört das ja zum Lebensgefühl!«
    »Mmm«, sagte die Berühmtheit zum dritten Mal und schaute unsicher zu den Handschuhen, sodass mein Großvater einen Schwenk zu den Urwäldern einlegte, zur Musik, schließlich sogar den Fußball streifte, ach ja, Pélé, aber selbst von dem schien die Exfreundin des Sportlers keine Ahnung zu haben, sodass ihr die Erleichterung anzusehen war, als Frau Jablonsky endlich zurückkam, die aktuelle Kamera meines Großvaters in der Hand.
    »Ein Foto fürs Familienalbum?«, fragte er, während er die Berühmtheit nun doch zielstrebig zur Kasse, genauer auf das mannshohe Schneider -Schild dahinter zuschob.
    »Nicht doch«, sagte sie und kicherte gekünstelt, ließ sich dann aber doch zwischen das »e« und »i« postieren. Mein Großvater legte den Arm um ihre Taille. Mit der anderen Hand zog er eine Schneider-Tüte hinterm Rücken hervor, als habe er sie die ganze Zeit dort versteckt.
    »Pommes mit Soße!«, rief Frau Jablonsky.
    Mein Großvater hielt die Tüte zwischen sie beide, sodass das neue Logo, das jetzt wie gesagt nicht mehr die Großmutterbeine sondern ein kunstvoll ineinander verschlungenes »M« und »S« zeigte, gut zu sehen war. Die Berühmtheit lächelte. Es regnete trotzdem weiter.
    Es blitzte einmal, zweimal. Noch ein drittes? Ach, warum nicht, kost ja nix, was?
    »Wunderschön«, sagte mein Großvater, als die Verkäuferin die Kamera schließlich runternahm.
    Die Berühmtheit griff in ihre Handtasche.
    »Nicht doch, es ist uns eine Ehre«, rief mein Großvater und wehrte ihren wenig überzeugenden Widerspruch mit einem Handkuss ab. Sein charmantestes Lächeln auf den Lippen, begleitete er sie zur Tür, rief ihr irgendetwas nach, während sie hinter dem beschlagenen Schaufenster verschwand. Dann drehte er sich um und rieb sich die Hände. »Das hätten wir!«, sagte er. Auf seinen Wangen glänzte es feucht.
    »Frau Hoffmann! Fünf Abzüge davon am Montag auf meinem Tisch!«
    »Mach mir auch einen mit, Michi«, rief eine dritte Verkäuferin, und schnell zu meinem Großvater, »das zahl ich natürlich selbst.«
    »Das will ich hoffen«, sagte er.
    Von der Kabine kam Frau Jablonsky angelaufen. »Sie hat was vergessen«, rief sie aufgeregt und hielt eine Haarspange in die Luft.
    Meine Mutter stöhnte. »Geben Sie her«, sagte sie, »vielleicht krieg ich sie ja noch.« Sie nahm die Spange und lief hinaus.
    Der Regen wehte ihr ins Gesicht. Sie hielt die Hand vor die Stirn, aber der Gehsteig war völlig leer. Die Feuchtigkeit zog an ihrem Rücken entlang.
    Sie lief in die Mitte der Straße, die allmählich tatsächlich eine wurde. Die Fahrbahn war neu geteert, neben dem Bürgersteig leuchteten weiß umrandete Haltebuchten, für die es noch kaum Autos gab, dafür aber schon eine Menge

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