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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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»mein Schatz«, aber da bricht das Gelächter im Hof schon richtig los, laut und schallend, für so was ist die Akustik in einem Berliner Innenhof ja perfekt. Von vier Wänden hallt es wider, schwillt so an, dass es auch die Fensterscheiben nicht dämpfen können.
    Sie grapscht nach dem Bettgestell, versucht das Quietschen irgendwie abzustellen. Aber Arno kommt jetzt immer mehr in Fahrt. Ein tiefes, dunkles Grollen drängt seine Kehle nach oben, ins Freie, wo es sofort mit neuem Gelächter beantwortet wird.
    »Ja, mach’s mir, Baby«, hört sie eine, seine, warum sollte es denn ausgerechnet seine, es könnte doch genauso gut die von, nein, sie ist sich ganz sicher, dass es seine Stimme ist, die da hässlich über den Hof schallt, sie zwischen die Rippen boxt, endlich im Takt mitzustöhnen beginnt, »ahhh« und »ihhh« und »ahhh« und »ihhh.«
    Meine Mutter zieht die Bettdecke über Arno, hält sie hinter ihrem eigenen Kopf fest. Aber das von immer neuem Lachen unterbrochene Stöhnen folgt ihr, legt immer mehr an Tempo zu, bis es wie das Röhren eines Esels klingt, »ih-ah-ih-ah-ihahihahihah.« Sie packt die Hüfte meines Vaters und schiebt sie vor und zurück, verzweifelt bemüht, die Sache zu Ende zu bringen, während Arno richtiggehend zu röcheln beginnt. Er umklammert ihr Handgelenk und drückt es auf die Matratze, reckt den Oberkörper in die Höhe. Seine Augen treten aus den Höhlen, und endlich, ja, ja, ja, fällt er mit einem Ächzen nach vorne. Sein Unterleib zuckt ein letztes Mal, wie ein abgetrenntes Wurmende, dann, ja, jaaaaa, JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA !!!
    Sein Kopf sackt neben ihre Schulter. Ein paar Härchen verirren sich zwischen ihre Lippen, während sein Atem heiß und schnell über ihre Wange wischt. Sie rutscht Richtung Fenster, so gut es eben geht mit dem ganzen, elend langen Mann auf und in sich. Drückt die Hand auf seinen Mund. Lauscht.
    Aber es ist nichts mehr zu hören.
    In dem Spalt unter den Vorhängen wird es dunkel und wieder hell, als hätte der Himmel einmal geblinzelt.
    »Ahhh«, macht Arno noch mal, aber jetzt schon wieder als er selbst. Seine Glieder werden schwer, die Züge weich, während er den Kopf in die Mulde zwischen ihrem Kinn und ihrem Schlüsselbein schmiegt. Ein Bild völligen Friedens.
    Wäre da nicht das unruhig hin und her springende Augenpaar meiner Mutter.
    Die Schläge gegen ihre Rippen sind so heftig, dass Arnos Rücken davon hin und her geworfen wird, zumindest kommt es ihr so vor. Sie versucht erneut, sich zu befreien, aber er scheint geradezu in ihr festzustecken. Oder sie unter ihm, das ist schwer zu sagen. Ihre rechte Seite ist eingeklemmt, Arm und Bein sind nicht zu sehen. Nur die Hand hängt schlaff über die Bettkante.
    Ruhig, sagt sie sich, ganz ruhig, ist doch nichts passiert.
    Arno kippt zur Seite. Er greift nach ihrem Nacken, krallt die Finger um die Schulterblätter, als würde er sich auf unruhiger See an der Reling festklammern. Sie steckt die freie Hand in seine Locken, an deren Wurzeln noch immer die Feuchtigkeit steht, streichelt hektisch hin und her, bis sein Kopf in die Mulde zurückfällt.
    Ob er Arno erkannt hat? Er hat ihn ja bloß einmal reden gehört. Reicht das, um sich an eine Stimme zu erinnern? Wenn er das überhaupt war. Es könnte doch auch jeder andere gewesen sein, wer weiß, wie viele Menschen in diesem Haus wohnen. Vier Stockwerke, Vorderhaus, Hinterhaus, Seitenflügel rechts und links, in jeder Wohnung zwei, vielleicht auch vier Leute, oder noch mehr?, vorausgesetzt die Wohnungen sind gleich groß, macht zusammen 150, 200 Bewohner? Warum sollte denn dann gerade er es gewesen sein, mach dir doch nichts vor, natürlich war er es.
    Ein Knacken ist zu hören, so leise, dass meine Mutter eine halbe Sekunde lang glaubt, es käme aus ihr. Dann bricht der Alarm los.
    Sie tastet über Arno hinweg, aber der rutscht schon bereitwillig aus ihr heraus und schlägt selbst auf den Wecker.
    »Was en Timing, he?« Er reibt sich die Augen. Rekelt sich. Runzelt plötzlich die Stirn. Sie folgt seinem Blick. Wie ertappt drückt sie die Knie zusammen.
    »Du zitterst ja«, sagt er und schiebt ihre Finger von den Beinen. Er betrachtet die Venen, die unter ihrer Haut hüpfen, zieht plötzlich die Lippen zu einem diebischen Lächeln auseinander und drückt ihr einen Kuss auf den Mund. »Ich fand’s auch wunderbar«, sagt er und läuft aus dem Zimmer.
    Sie hört ihn in der Toilette klappern, dann kommt er mit einer Handvoll zusammengeknülltem Klopapier

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