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Fuenf Maenner Fuer Mich

Fuenf Maenner Fuer Mich

Titel: Fuenf Maenner Fuer Mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meisl
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meine Erfahrungen gewinnen.
    Bei anderen Fragen kann ich das Internet konsultieren. Gibt es irgendwo auf der Welt ein System, das meinen Vorstellungen des 5L-Projekts nahekommt? Gibt es Frauen, die ihr Sexleben in einem gesellschaftlich akzeptierten Rahmen mit mehr als einem Mann leben?
    Das Erste, was mir dazu einfällt, ist der Begriff des Matriarchats. Gibt es heute überhaupt noch Gesellschaften, die matriarchalisch strukturiert sind? Bis 4000 vor Christus, so erfahre ich, sei das Matriarchat die übliche Gesellschaftsform gewesen. Frauen hatten das Sagen und lebten weitestgehend selbstbestimmt. Ich bin erstaunt. Warum diese frauenbestimmte Gesellschaftsform von ihrem Gegenteil, dem Patriarchat, abgelöst wurde, darüber gibt es unterschiedliche Theorien. Die, die mir am meisten einleuchtet, ist die „Katastrophen-Theorie“. Sie besagt, dass in Zeiten von Hunger, Dürre und Krieg die Stammesführerinnen ihre Männer losschickten, um nach fruchtbareren Gebieten zu suchen oder den Feind zu bekämpfen. Einmal mit solch verantwortungsvollen Aufgaben betraut, übernahmen dann die Herren der Schöpfung auch in friedlichen Zeiten das Regiment. Chance verpasst, Ladys!
     
    Einige Tage später bin ich bei „Kuaför Ayse“. Etwas muss sich ändern, und ich fange bei den Haaren an. Mich gelüstet nach Haarverlängerungen. Ich will eine wilde, lange Mähne. Fauch! Am liebsten Haare bis zum Po. Ich will sie schütteln, nach vorne und hinten werfen und damit Männer zu willenlosen Geschöpfen machen. Dann kann ich auch den Opernsänger an mich fesseln. Ob ich für Bastian, den Dauerklingler, Haarverlängerungen brauche, weiß ich nicht. Aber „der Mann“ als solches ist ohnehin noch ein unbekanntes Wesen für mich. Ich sorge also lieber vor.
    Meine Mutter verfolgte mich früher gern mit der Schere quer durch die Wohnung. Meine strubbeligen Haare waren für sie ein rotes Tuch. Zu wild und unbezähmbar, Naturlocken eben. In der Pubertät verteidigte ich aus Trotz den Afrolook mit Händen und Füßen. Kraus und störrisch, meine Haare waren wie ich. Erst in Spanien entdeckte ich den Charme von Friseursalons. Ich ließ mir die Locken einlegen, danach fielen sie sanft und glänzend über meine Schultern. Meine türkischen Freundinnen rieten mir später zu Lockencreme und schwarzem Henna, sodass mein Look seit vielen Jahren unverändert ist. Dazu lange, schlabbrige Hippie-Klamotten. „Die stehen dir so gut“, schmeichelte Deniz, der sonst nie Komplimente machte. Aber bei High Heels und Miniröcken wurde er streng: „Sieht aus, als könntest du nicht auf ihnen laufen, und der Rock macht dich dick!“
    Vor zwei Wochen überraschte ich mich dann selbst mit einem Befreiungsschlag. In einer nächtlichen Spontanaktion fegte ich die Regale meines Kleiderschrankes leer, stopfte alles wütend in einen Altkleidersack und fuhr mit dem Auto geradewegs zum Roten Kreuz. Ich stellte den Sack bei strömendem Regen einfach vor der Tür des Gebäudes ab und fühlte mich dabei, als würde ich eine Leiche entsorgen. Nicht ein einziges trauriges T-Shirt blieb übrig.
    Jetzt will ich meine Haare anders tragen: Hellbraun mit blonden Strähnen und, unsichtbar darin verwoben, lange Kunsthaare, ein Lockentraum. Ayse soll mich beraten. Seit über 20 Jahren führt sie ihren Friseursalon. Ayse kennt das ganze Viertel. Sie weiß, welche Kinder begabt sind und welche faul, welche Eltern sich kümmern und welche nicht. Sie kennt die Naturhaarfarbe aller Bewohner und Bewohnerinnen ihres Stadtteils und kann zur Krankheitsgeschichte eines jeden meist mehr sagen als deren Hausärzte. Ihre Einschätzungen des internationalen Bankwesens erfährt man beim Haareschneiden ebenso wie ihre Theorien über weltweit agierende politische Verschwörungen. Heute bedient mich ihre Mitarbeiterin Gönül. Sie ist 40 und Mutter von zwei niedlichen Mädchen.
    „Wie lange warst du verheiratet?“, fragt sie.
    Ayse, deren Augen und Ohren überall sind, schreit über den Lärm der Trockenhaube: „Verschon Annette bloß mit solchen Fragen, das macht sie nervös!“
    Ayse weiß, was ihre Kunden brauchen. Besser als diese selbst. Das gilt für Farbtöne und Frisuren genauso wie für Gesprächsthemen. Diesmal aber setze ich mich durch und sage: „Lass sie nur. Kein Problem!“ Dabei habe ich vor wenigen Tagen noch Rotz und Wasser geheult, nur weil ein alter Bekannter nach meinem Ex gefragt hatte. Tapfer antworte ich: „15 Jahre!“
    „Was, so lange? Ein ganzes Leben!“
    Gönül

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