Fuenf Maenner Fuer Mich
schlägt vor, in ihr türkisches Dorf zu fahren, dort könne mir eine Freundin den Kaffeesatz lesen, und wer weiß, vielleicht fände ich dort auch gleich einen neuen Mann? Da ist es um meine neue Gelassenheit geschehen und ich rufe auf Türkisch in die Runde: „Einen Mann? Einen einzelnen Mann nur? Ich habe ganz andere Pläne!“ Die Kundinnen legen ihre Klatschblätter zur Seite. Konzentrierte Aufmerksamkeit, wo sich sonst fröhliches Stimmengewirr mit leisem Föhnrauschen mischt. „Meine Theorie“, hebe ich an. Stecknadelstille. „90 Prozent aller Männer gehen fremd!“ Zustimmendes Gemurmel. „95 Prozent sogar!“, ergänze ich mutig.
„Nur ein halbes Jahr nach der Hochzeit hatte meiner eine andere“, wirft die pausbackige Hatice aus Leverkusen ein. „Ich hab’s gleich gemerkt, aber niemandem gesagt. Hab mich nicht getraut. Meine Eltern hätten mir nicht geglaubt.“
„Mein Mann ist nachts immer weg! Er schläft nur zwei bis drei Tage zu Hause“, ereifert sich eine kleine Brünette mit dem Akzent der türkischen Schwarzmeerküste.
Die Frauen nicken mir anerkennend zu. Ich fahre mutig fort: „Die Beziehung zwischen Mann und Frau, so wie sie uns beigebracht wurde, stelle ich infrage! Monogamie gibt es nicht. Sie ist eine Erfindung der Männer, um uns Frauen einzusperren!“ Ein Raunen geht durch den Salon. Ich habe wohl den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Zustimmung ermutigt mich. Den Impuls, auf meinen Frisierstuhl zu klettern und von dort aus eine flammende Rede zu halten, kann ich im letzten Moment noch unterdrücken.
„Meiner muss immer bis spätabends arbeiten. Der Arme. Ich glaub ihm kein Wort“, sagt eine Istanbuler Wasserstoffblondine mit Körbchengröße 90D.
„Ich sage: Weg mit dem Märchen der Monogamie! Gleiche Rechte für alle! Frauen brauchen mehr als einen Mann!“
Ayse klopft mir auf die Schultern und juchzt: „Ja, zwei oder drei!“
Und ich rufe zurück: „Nein, mehr! Mein Konzept heißt 5L, ich sage euch, fünf Männer braucht die Frau! Und ich habe da ganz klare Vorstellungen! Das müssen tolle Männer sein, richtige Beziehungen mit Qualität; und damit das klappt, braucht die Frau außerdem eine Ersatzbank, da können gerne noch mal fünf Männer sitzen!“
Aufgeregt wollen die Frauen mehr erfahren. Wie willst du das in der Praxis machen? Wo findest du die Männer? Wissen alle Bescheid? – Ich bin euphorisch. Jetzt habe ich schon die Türkinnen mit meiner Idee infiziert! Wohin soll das noch führen?
Der Kuss des Opernsängers
Die Oktobersonne taucht die Altstadt in weiche Goldtöne. Für eine Freundin vermiete ich deren möbliertes Apartment. Die Rundmail meiner Bekannten Susanne ist daran schuld: „Suche Unterkunft für einen nordamerikanischen Gast für vier Wochen in Köln.“
Susanne und der nordamerikanische Gast warten am Hauptbahnhof auf mich, von wo aus ich die beiden mit dem roten Car-Sharing-Fiesta in seine Bleibe kutschieren werde. Schon von Weitem sehe ich meine kleine, mollige Bekannte Susanne, die neben einem großen, schlanken Mann steht. Das muss Winston sein. Viel mehr kann ich nicht erkennen.
Mein Augenarzt hat vor sechs Monaten diagnostiziert, dass ich in die Ferne nicht scharf sehe – höchstens aussehe, wie er charmant hinzufügte. Wegen meiner Selbstbewusstseinskrise schlummert das Brillenrezept seitdem in meiner Handtasche.
Ich gehe auf die beiden zu und überlege, in welcher Verbindung der Gast wohl zu Susanne steht: Familienmitglied, ehemaliger Studienkollege, Liebhaber?
Als ich noch zehn Meter weit entfernt bin, sehe ich klarer und nun wird das Bild scharf. Und wie! Ich sehe ein Bild von einem Mann mit feinen indianischen Gesichtszügen, kohlschwarzem, dichtem Haarschopf, dunklen Augen, von tiefen Schatten dramatisch umrahmt. Seine lebensgefährlich schönen Lippen lächeln und geben so den Blick frei auf die strahlend weißen Zahnreihen, die aussehen, als wären sie nachträglich am Computer manipuliert worden. Mit diesen Zähnen würde sich jeder Zahnpasta-Werbespot für die Cannes-Rolle qualifizieren. Der hässliche Bahnhofsvorplatz verschwimmt, meine neben dem Reisenden stehende Freundin ist wie weggebeamt. Ich bin nicht mehr Herrin meiner Schritte, laufe weiter auf den Fremden zu, bis ich direkt vor ihm stehe. Da küsst er mich plötzlich einen innigen Moment lang – direkt auf den Mund.
Was ist passiert? Ich vergesse den Kofferraum aufzumachen, sehe, dass Winston mit seinen riesigen Übersee-Gepäckstücken davorsteht und
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