Fuenf Maenner Fuer Mich
Moment sind all meine 5L-Vorsätze wie weggewischt. „Er sieht aus wie ein Gott, singt wie ein Gott.“ Ich sehe schon, wie ich meine Existenz in Deutschland aufgebe und diesem Ausnahmetalent in sein Heimatland folge, wo ich seine Karriere plane und ihn vor wild gewordenen Fans schütze. Lola lässt mich ausreden und sagt dann ganz leise: „Verwechsle es nicht mit Liebe, wenn jemand Zärtlichkeit in das Loch träufelt, das ein anderer mit dem Schlaghammer in dein Herz gebohrt hat!“ Ich schlucke. Präzise wie keine andere Freundin nennt sie die Dinge beim Namen. Das ist Lola, meine weise Freundin.
Lola hat alle Höhen und Tiefen meiner Ehe miterlebt. Zu Beginn meiner glühend-heißen Affäre mit Herrn X kam sie mit in die Türkei, um dort für einen bekannten Open-Air-Club eine Straßenparade zu kreieren. Den Job hatte ich für sie an Land gezogen und mich gewundert, dass sie, ohne eine Sekunde zu zögern, zugesagt hatte. Wir flogen sie damals aus Spanien ein, wo sie mit Mann, Tochter und Straßentheatergruppe in La Garriga wohnte, einem kleinen, mondänen Kurstädtchen, 40 Kilometer von Barcelona entfernt. Am Spätnachmittag des ersten Tages schlenderten wir durch das türkische Küstendorf, an der Mole entlang, vorbei an traditionellen Holzbooten, wo Fischer ihre Netze flickten. Lola schwärmte: „Was für ein Licht! Wie ich die Sonne liebe! Und das farbenprächtige Spektakel, wenn sie im Meer versinkt.“
„Ja, das ist wunderschön, aber warte erst mal, bis du den Mond siehst“, flüsterte ich ihr zu. „Täglich beobachte ich seine Bahn und seine veränderte Form. Ich spüre, wo er aufgeht, wo er untergeht. Ob er zunimmt oder abnimmt. Er ist meine Kompassnadel. Der Mond hat hier an der ägäischen Küste eine ganz andere Wirkung als am grauen deutschen Wolkenhimmel.“
Lola schüttelte den Kopf. Sie hatte damals noch die gleichen dunklen Naturlocken wie ich. „Der Mond sagt mir nichts. Zu ihm habe ich keinen Bezug, er lässt mich kalt. Ich liebe die Sonne, ich bin halt ein echtes Mittelmeerkind.“
Als die Nacht kam und der Mond bronzefarben hinter den Bergen aufging, wurde sie nachdenklich. Dieser Tag veränderte ihr Leben, wie sie mir später gestand. Ein Jahr später entwarf sie mit ihrer Gruppe „Artristras“ ein beeindruckendes Theaterstück über den Mond. Es hieß „Pleniluni“.
Der Mond scheint auch in diesen Tagen hell am Himmel. Winston hat klares Wetter aus Nordamerika mitgebracht. Am nächsten Morgen sitzen wir bei duftendem Milchkaffee und knusprigen Croissants in einer Szenekneipe. Er guckt mir in die Augen und löst damit ein Kribbeln bei mir aus, von den Ohrläppchen bis zu den kleinen Zehen. „Was ist in deinem Leben passiert?“, fragt er. Habe ich mich etwa auffällig verhalten? Da schießt ungewollt und ungeplant die Geschichte mit Herrn X aus mir heraus. Danach beiße ich mir fast auf die Zunge, aber keiner kann die Worte mehr einfangen.
Einen endlosen Moment schweigt er. „Vor drei Jahren habe ich mich von meiner Frau getrennt, weil sie einen Liebhaber hatte.“
„Und jetzt? Wie lebst du jetzt?“, frage ich.
Er erzählt etwas von einer Lebensgefährtin. „Ich versuche, ihr treu zu sein“, erklärt er. Schon am nächsten Tag spüre ich seinen Rückzug. Er wittert Gefahr, sagt, er dürfe bis zur Generalprobe keinen Sex haben. Wir treffen uns trotzdem, bummeln Hand in Hand durch die Kölner Altstadt, wo ich mich sonst nie hinverirre, trinken Limonade in Eisdielen und fotografieren uns vor dem Dom. Hinter all der willkommenen Romantik sehe ich jedoch meine Gedanken bestätigt: Meine Entscheidung ist richtig. Ich werde alles auf den Kopf stellen, was bisher für mich in Liebesdingen galt. Und das Neue ausprobieren. Mein erster Schritt ins 5L-Projekt ist getan.
Gregor lacht sich ins Fäustchen. Seit sein Freund Bastian aus dem Urlaub zurück ist, zieht er ihn bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit mit der Werwolfgeschichte auf. Am liebsten erzählt er sie, wenn Kollegen und Freunde dabei sind. „Unser Bastian wirkt immer so harmlos“, fängt er dann gerne mit süffisantem Lächeln an, „aber er hat zwei Seiten. Und die zweite Seite ist dunkel. Sehr, sehr dunkel.“ Und höflich fügt er hinzu: „Du gestattest doch, Bastian, dass ich die kleine Geschichte zum Besten gebe?“ Der arme Bastian, denke ich. Irgendwann wirkt Gregors Strategie und Bastian gibt klein bei. Er gesteht mir die Wahrheit am Telefon. Ja, er war es. Er hatte zu viel Alkohol getrunken,
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